Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
zu! Aber da Anita vorbeisah an der Schülerin Cresspahl, wie konnte der Name Abs ihr eine Nachricht sein? Und wie nützlich hätte sie sein können als Dolmetsch bei dem Sowjetnik im gneezer Rathaus, der in der souveränen Republik die Stadtverwaltung beriet. Wohl war von Gesine zu verlangen, daß sie sich einen Ruck gab und als erste auf Anita zuging mit einem Ansinnen; Gesine war gegen eine solche Reise, die schien ihr sorgfältig genug ausgestattet, manchmal fahren Leute ab und bleiben weg; auch auf Scheu redete sie sich heraus. Kam der Antrag abgelehnt zurück, war’s ihre Schuld.
Bis Dezember hatte Aggie betrieben, was eine staatl. gepr. dipl. Krankenschwester bloß ansieht für eine Schuldigkeit. Sie steckte sich hinter Schürenberg, Kreismedizinalrat; Schürenberg lud Cresspahl vor, untersuchte ihn glaubwürdig, schrieb ihn arbeitsunfähig, in die Rente.
Im Jahre 1950 wurde zum ersten Mal seit 1937 in Cresspahls Haus das Silvester begangen. Es gab keine Karpfen, aber Jakob brachte Krebse. Zwar sei der Krebs in den Monaten, die kein R aufweisen, am schmackhaftesten: meint Hedwig Dorn zur Stütze der Hausfrau; auch Frieda Ihlefeld hängt dieser Auffassung an; jedoch nehme man es damit beliebig ungenau, die Ihlefeld tut sogar, als wär’s ein Gerücht. Zum ersten Mal waren wir, in ungenauer Art, eine Familie in Cresspahls Haus. Gesine sah von weitem zu, als Jakobs Mutter die lebendigen Biester mit einem Reisbesen abbürstete in kaltem Wasser, sie dem Tode zuführte in kochendem; während die Kirchgängerin der Familie zum Gottesdienst aus war, stand Gesine am Topf, die Augen auf der Uhr, dem Rezeptzettel, nahm das schwimmende Fett ab, legte Holz nach, ließ abkühlen, kellte die rote Butter heraus; abgelenkt. Denn am Fenster führte Jakob ihr eine halbe Stunde lang vor, wie ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren sich rasiert zur Feier eines Abends. Mochte der Karpfen mangeln zum Silvester; der Scherz war da. Cresspahl zog Striche in seinen letzten berufstätigen Büchern. Vier Leute bekannten ihre Vorsätze für das kommende Jahr, viermal schenkte Jakob Richtenberger nach für Gesine.
Jesu, laß mich fröhlich enden / dieses angefangne Jahr. / Trage stets mich auf den Händen, / halte bei mir in Gefahr. / Freudig will ich dich umfassen, / wenn ich soll die Welt verlassen.
Bliwen Se man bi uns, Fru Abs.
Ick smit dat hen. Disse Loks, disse utleierten Strecken, dissn Signålsalat, dor führ de Düvel. Godet Niejår, Gesine!
Godet Niejår ji all.
1. August, 1968 Donnerstag
Wer viel fragt –
Über was hier anders ist in New York im Staat New York, wissen Sie: es ist eine von jenen Städten, in die die westberliner Zeitungsverleger kleine Klingeln aus Porzellan schicken an Familien, denen ein Angehöriger umgebracht wurde bei dem Versuch, Angehörige anderer Familien umzubringen, in Viet Nam, das ist noch hinter der Türkei; über einen Unterschied.
Gelb, zum Beispiel. Gelb ist hier anders wo. Ich meine die ganze Farbenfamilie, was noch gelb ist oder so nahe an Gelb oder Ocker oder Kanarienvögel oder einfach alles im Bereich zwischen Rot und Grün, nicht nur any of the colors normally seen when the portion of the physical spectrum of wave lengths 571.5 to 578.5 millimicrons specif. 574.5 millimicrons is employed as a stimulus: wie Webster sagt, sondern auch, was mal gelb war. Gelb ist hier anders wo.
Auch außerhalb des Eis, der Mongolen, der Gelbsucht, der Schwämme, Schmetterlinge, Butterblumen.
Nie so viel Gelb gesehen wie hier.
Als ein Gelber gilt hier ein Eifersüchtiger, ein Neidhammel, ein Melancholiker, ein Verräter, ein Abtrünniger, einer wie Brutus, weil er eines Ehrenwerts ermangelte. Gelbe Leute sind hier welche zum Verachten, gelb heißen die Boulevardblätter so wie die gelbe Bildzeitung, und Gelbeichen gibt es und Gelbe Barsche.
Die Gelben, das sind die, die unterbieten einen, die gehen gelbe Verträge ein; die treten keiner Gewerkschaft bei als einer gelben.
Wenn einer hier gelbt, so gibt er an, er markiert den starken Mann.
Hier glaubt die Sprache, daß manche Eingeborene im Südwesten des Landes gelbe Bäuche haben, gelb wie Schwefel.
Gelb sehen Sie auf den Einwegavenuen Striche eine Wagenbreite reservieren, mit gelber Schrift.
Gelb in zwei Strichen teilt die Avenuen mit zwei Fahrtrichtungen.
Gelb in einem Strich auf zweibahnigen Straßen zweiter Ordnung.
Gelb grenzt die Fußgängerbereiche ein in den Kreuzungen, breit hingeschmierte Striche.
Gelb sind die Gehäuse
Weitere Kostenlose Bücher