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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Übernahme in den diplomatischen Dienst. Da ist eine Sperre eingebaut, fast unüberwindlich, wenn man sie erst bemerkt im sechsunddreißigsten Lebensjahr. In seinen Reportagen aus der Großen Welt seines Landes (solchen wie ihm gehört es), die Telefone klingeln immerzu »rasend«, obwohl jeweils das Gerät regelmäßig nur tut, wozu ein Stromstoß es aufzieht. Auch hat er Anstände mit den Partizipien; einen Ehrendoktor der Philosophie wird man ihm kaum zuteilen für solche Bezeichnung einer Person: »Die auf dem Balkon rosenzüchtende Kaffeefrau des Ministers …« Vielleicht jedoch irren wir uns. Am Ende wird er Botschaftsrat; hoffentlich wo anders als in Prag.
     
    – Zwei Fragen: sagt Marie.
    – Bewilligt, Euer Ehren.
    – Pius hast du den Rang eines Generals nachgesagt einmal.
    – Es sind dreieinhalb Jahre vergangen, seit er … Wenn ich an ihn aber denke, als lebte er weiter, ist er inzwischen General; Generalmajor mindestens.
    – Auf der anderen Pfote. Du denkst, du hättest eure Bettina Selbich im Griff.
    – Ein Handumdrehen, und sie ist frei?
    – Wie in der Zwickmühle. Zwar habt ihr sie abgelichtet, wie sie Westberlin bestaunt gegen ein Verbot.
    – Jedoch.
    – Derjenige, der das Auge am Sucher hatte, war da auch; wenn es denn um einen Nachweis ging.
    – Was bin ich froh, daß du mir das erst heute sagst!
     
    Zu Hause am Riverside Drive wartet das tägliche Telegramm aus Helsinki. Heute lautet es: Patient ist für eine Weile verhindert am Autofahren. Unterschrieben: Eritzen.
    11. August, 1968 Sonntag
    In Viet Nam, bei Tabat, über dem Ashau-Tal, ging gestern ein Düsenkampfbomber vom Typ F-100 Sabre (Säbel) in den Tiefflug, ließ Kanonenschüsse und Raketen los auf Truppen der Vereinigten Staaten. Acht Tote, fünfzig Verwundete.
    Über West Virginia versuchte eine zweimotorige Maschine der Piedmont Airlines einen instrumentalen Anflug auf den Flugplatz von Charleston, dreihundert Meter hoch gelegen. Aufprall in Feuersbrunst gerade vor der Landebahn. Von siebenunddreißig Leuten an Bord kamen nur fünf mit dem Leben davon. Wir fliegen auch bald.
    Vorher wünscht Marie sich eine Kinder-Gesellschaft; jedoch ohne daß es hieße: zum Abschied. Nur, weil meine besten Freunde sind: Pamela, Edmondo, Michelle und Paul, Steven, Annie, Kathy, Ivan, … und Rebecca Ferwalter; weswegen wir mit Rebeccas Mutter verabredet sind auf einer Bank im Park, das Koschere am Speisezettel auszuhandeln.
    Voll Widerwillens sieht sie uns entgegen, die bloßen, zu feisten Arme neben sich gestemmt; sie versucht Freude zu zeigen. Mrs. Ferwalter ist zurück aus jenem Bereich der Catskills, den sie Fleishman nennt. Rebecca hat dort einen Jungen namens Milton Deutsch gefunden, der wird Moshele genannt (Moses). Moses Deutsch liebte Rebecca sehr und verprügelte sie; Rebecca weinte sich bei ihrer Mutter aus und ging Milton doch entgegen, sobald sie ihn nur von ferne sah. Mrs. Ferwalter sagt, verspricht in zorniger Erregung: Nie wird sie einen Ort aufsuchen, wo Milton Deutsch zu begegnen wäre!
    Gespräch auf einer Parkbank.
    Wird die Nazipartei in Deutschland zur Macht kommen?
    Das wünschen in Deutschland wenige.
    Was wollen die bloß?
    Änderung der Grenzen, so für den Anfang.
    Haben die Amerikaner ein Recht, da sich einzumischen?
    Wenn es der Regierung in Washington beliebt, wird sie es tun.
    Meine liebe Mrs. Cresspahl, überlassen Sie das mir. Ich werde bringen Passovergebäck, das ist buntfarbenes mit dickem Überzug, die Kinder mögen es auf einer Gesellschaft, es schmeckt nach Marzipan. Wir haben es zum letzten Mal zu Hause gebacken im vierundvierziger Jahr. Damals gehörte unser Ort zu Ungarn. Transporte kamen schon seit 1941 durch, und im Land wurden Leute abgeholt. Im Mai 1944 wurden alle genommen. Ich hatte einen katholischen Paß, mit katholischer Religion. Die Deutschen haben mich angesehen, und genommen. Die Ungarn und die Deutschen, die waren einander wert. Es waren alles Soldaten. Bitte, was sind Schwaben?
    Bewohner einer süddeutschen Provinz, dächten wir.
    Sind Schwaben mehr für Hitler gewesen als andere?
    So wie die anderen auch.
    Das waren Schwaben.
    (Siebenbürger?
    Nein. Die waren doch dagegen.)
    Wir kamen nach Auschwitz. Ich war da acht Monate. Die meisten kamen gleich ins
Krematorium.
Viele von den
Aufsehern
laufen noch umher, und man staunt wo. So wie wir hier sprechen habe ich mit dem Mengele geredet.
    Ich wurde
selektiert
ins
Magazin
als
Einweiserin.
In der Küche trugen zwei Mädchen Körbe hinter

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