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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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hatte mich bloß versteckt, weißt du.
    Ich weiß, Alexandra.
    1947, im Sommer, war ich auf dem Fischland. Niemals mehr.
    5. Juli, 1968 Freitag
    Gestern in Bonn verhandelte ein Gericht wieder einmal gegen jenen Fritz Gebhardt von Hahn, bei den Nazis in der Jüdischen Abteilung des Außenministeriums, angeklagt der Mitschuld am Tod von mehr als dreißigtausend bulgarischen und griechischen Juden. Für die Verteidigung trat auf ein Zeuge, auch ehemals in leitender Funktion beschäftigt beim Außenministerium der Nazis, Abteilung Abhören.
    Er nannte seine Vornamen, war als Kiesinger bekannt. Beruf: Bundeskanzler. Solche Silberhaarigen haben das Vertrauen der Westdeutschen. Mit solchem arbeitet die Sozialdemokratie in einer Regierung.
    Wann ist er eingetreten in die Partei der Nazis? Gleich 1933. »Nicht aus Überzeugung, aber auch nicht aus Opportunismus.« Was für Gründe bleiben möglich? Das wurde er nicht gefragt. Er will mit der Partei nichts zu tun gehabt haben bis 1940, außer daß er seine Mitgliedsbeiträge zahlte. Dann war er vertrauenswürdig genug, die Auswertung ausländischer Rundfunkmeldungen zu beaufsichtigen. Wenn die feindlichen Sender die Ausrottung von Juden erwähnten, verhielt Herr Kiesinger sich einfach ungläubig, ließ es aus dem Funkspiegel für seine Vorgesetzten, so daß den Nazis dunkel blieb, was sie taten. (So konnte Herr von Hahn nicht erfahren, was denn mit den Juden geschah, die er auf den Weg schickte.) Desgleichen war dem Kollegen von Hahn der Ausdruck »Endlösung« unbekannt, bis zum Ende des Krieges. Erst spät, langsam, ganz allmählich brachten das Verschwinden von Trägern des Gelben Sterns und Erzählungen von Fronturlaubern ihn auf den Gedanken, »daß da irgend was nicht richtig war«. Daß mit den Juden etwas »ganz Schlimmes im Gange« sei. Something very ugly. Dienstlich nahm er zur Kenntnis Nichts. Unter Eid. Verläßt den Gerichtssaal ohne Fesseln.
    In Sowjetdeutschland, in Mecklenburg, befahl die S. M. A. D. am 26. Februar 1948 das Ende der Entnazifizierung zum 10. April. Von den Schuldigen hieß es, sie seien in Haft, oder die westlichen Besatzungsmächte böten ihnen Unterschlupf. Zuvörderst die Amerikaner seien dieserhalb im Besitze von Fittichen: lehrte Dr. Kramritz in der Klasse Acht A vierzehn-, auch fünfzehnjährige Kinder. Ehemalige Nationalsozialisten waren nun eigens zum »demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau« eingeladen, wenn sie »durch ehrliche Arbeit sühnen«. Wer immer sich befand auf freiem Fuße, seine Unschuld war erwiesen.
    Von der Sühne gab es wohl mancherlei Art; wie sollte ein Kind die alle gleich erkennen.
    Die Aradowerke Gneez waren nun auch auf schriftlichem Wege enteignet worden, Heinz Röhl hatte seine Renaissance-Lichtspiele sogar auf gesetzlichem Wege eingebüßt, wegen Verzählung der Eintrittskarten, als die Sowjetmacht die Ufa-Beutefilme auf ihre hungernden Deutschen losließ, was ihm als Versuchung zum Gewinn verschärfende Umstände einbrachte statt mildernde, wie er das wohl aus den Zeiten der Republik gewohnt war. Aber einen König der Wirtschaft gab es doch in Gneez, der stand außerhalb der Gesetze im Stil von F. Zwo. Den hatten wir fast vergessen! Nach der Vorschrift war er ein ehemaliger Nationalsozialist, dieser Emil Knoop, der in der Stadt erschienen war mit stillem Glanz und sanftem Gloria, auf den wußten die Leute bald keine Vergleiche. Freude bringe ich euch. Anfangs tat er sich schwer mit dem Ansehen, das er hinterlassen hatte. Denn sein Vater hatte jeweils gegolten als ein renommierter, auch bürgerlich achtbarer Geschäftsmann, dieser Johannes (Jonathan) Knoop, dem waren so kleine Tics wie eine Karpfenzucht nachzusehen, auch die etwas herrschaftliche Jagd. Unter Kohlenhandel, Fuhrgeschäft, Import und Export firmierte er ab 1925 (1851). An die schicklichen Leute heranzukommen in Gneez, dabei stand ihm der Knabe Emil oft genug im Wege. So 1932, es war doch undeutlich, wem ein Geschäftsmann sich anzuschließen die sittliche Pflicht hat. Johannes hätte es am liebsten mit den Deutschnationalen gehalten. Aber der Knabe Emil lief weg zu den Schießübungen der Hitlerjugend mit Vaters ganzem Gewehrschrank. Das war ein banges Jahr. Ein teures, desgleichen, denn Johannes mußte nun nach beiden Seiten spenden. Und mochte Emils politische Weisheit im Jahr 1935 ganz erwiesen sein, er lernte doch von Vaters Betrieb am besten den Griff in die Kasse, und durch das Abitur mußten die Lehrer ihn vermutlich tragen. Dann

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