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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Vertrieb lahm legte, so erlaubten sie einem Knoop ein diskretes Abonnement des westberliner Tagesspiegel, per Briefumschlag, um noch Anflüge von Kälte aufzufangen. Als er dann fiel, neun Jahre später, hatte er Abschied zu nehmen von einer Bootshauskolonie, einer Fasanenzucht und der ersten Hollywoodschaukel im ganzen Landkreis Gneez, aber für Cresspahls Tochter war es zu spät. Sie konnte da begreifen, daß die Kommunisten ihn hatten aushelfen lassen auf der Ebene der Warenzirkulation, solange sie noch lernen mußten von ihm und der Sowjetunion, und er wird ihr auch leidgetan haben, als er abgeführt wurde an erbleichenden Staatssekretären in seinem Wartezimmer vorbei, aber es war zu spät. Sie hatte zu lange sich schämen müssen für ihren Griff in den Sack mit den Apfelsinen.
    6. Juli, 1968 Saturday Tag der South Ferry
    ist auch der Tag, an dem die Tante Times uns mitteilt, was ihr der Sonderkorrespondent Bernard Weintraub schon unter dem Datum des 27. Juni geschrieben hat aus Saigon, Süd-Viet Nam:
    » DIE AMERIKANISCHE AUSWIRKUNG AUF DIE WIRTSCHAFT, POLITIK UND KULTUR VIET NAMS IST DURCHSCHLAGEND
    Vor zehn Jahren waren weniger als eintausend amerikanische Dienstpflichtige in Viet Nam stationiert, und ihre Anwesenheit wurde kaum wahrgenommen.
    Heute sind es 530 000 amerikanische Truppenangehörige und zwölftausend Zivilisten, die dies geplagte Land durchschwärmen, und ihre Gegenwart hat das Leben Süd-Viet Nams bis in die Wurzeln betroffen.
    … Lambrettas und Autos. In dreißig- bis vierzigtausend Wohnstätten und auf Dorfplätzen quer durch das Land sehen südvietnamesische Familien im Fernsehen der Streitkräfte wie gebannt ›The Addams Family‹ und ›Perry Mason‹. Studenten in Seminarräumen lesen John Updike und J. D. Salinger. Junge Männer, die für U. S.-Behörden arbeiten, und Mädchen in kurzen Röcken schlürfen in Cafés Coca-Cola und beklagen das Überhandnehmen amerikanischen Wesens.
    Die Anwesenheit der Amerikaner hat auch beigetragen zu einem Gewirr schwerer wiegender Veränderungen, die sich – mit einem Krieg zu gleicher Zeit – als widersprüchlich und komplex erweisen. Studenten, Lehrer, Regierungsangestellte und Geschäftsleute beteuern beharrlich, der Zustrom von amerikanischen Soldaten, Zivilisten und Dollars reiße die Familien auseinander und richte soziale Verwüstung an.
    … ›Eine unmögliche Situation ist herbeigeführt worden‹, sagte ein Rechtsanwalt, amerikanisch erzogen. ›Die armen Familien kommen vom Lande nach Saigon, weil sie arm sind. Der Vater verfügt über wenig Fertigkeiten, also wird er Tagelöhner oder Rikschafahrer. Vordem haben die Kinder ihn geachtet. Er kannte sich aus mit dem Hof. Er wußte Bescheid mit dem Land. Nun weiß er gar nichts.
    Die Jungen waschen Autos für die Amerikaner oder putzen Schuhe oder verkaufen Zeitungen oder arbeiten als Taschendiebe‹, fuhr der Rechtsanwalt fort. ›Sie verdienen womöglich 500 oder 600 Piaster ($ 5 oder $ 6) pro Tag. Ihre Väter bringen 200 Piaster nach Hause. Hier haben wir einen zehnjährigen Jungen, der dreimal so viel verdient wie sein Vater. So was ist noch nie da gewesen.‹
    Über dem Druck von Amerikanern und amerikanischen Dollars steht der allumfassende, zerschmetternde Druck des Krieges selbst, versteht sich. Tatsächlich ist jeder junge Mann oder Bauer gezwungen, den Regierungsstreitkräften beizutreten, oder dem Viet Cong; mehr als eine Million Leute sind zu Flüchtlingen geworden; die Zerreißung von Höfen oder Dörfern hat zusätzliche Millionen auf die Flucht in die Städte gebracht.
    … weil die verbündeten Truppen Tausende von Familien im ländlichen Gebiet in ihrer Gänze aus ihren Höfen entfernen, um Feuerzonen zu gewinnen.
    … ›Der Vietnamese hat niemals den Wunsch, sein Dorf zu verlassen‹, sagte ein Professor an der Universität Saigon. ›Dort möchten sie geboren werden und dort möchten sie sterben.
    Das ist für Sie Amerikaner schwer zu verstehen, da Sie in Ihrem Land von Dorf zu Dorf ziehen können‹, fuhr er fort. ›Aber hier ist es sehr schmerzhaft für einen Vietnamesen, sein Dorf zu verlassen, und wenn man sie zum Wegzug zwingt, dann hassen sie Sie. So einfach ist das: sie hassen Sie.‹
    … Ein anderer [Amerikaner] erklärte: ›Es ist leicht, den Amerikanern an allem die Schuld zu geben, was hier falsch läuft – die Vietnamesen genießen das. Aber sehen Sie mal, diese Gesellschaft war verflucht verfault, als wir herkamen, und was wir jetzt an den

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