Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
sollte der Arbeitsdienst ihn bessern, er kam aber zurück von einem schwangeren Mädchen in Rostock. Ehe die einsah, daß ihr ein Leben als Frau Knoop in Gneez bloß eine Qual sein würde! Weiterhin lernte er von Vatern noch, wie Einer etwas darstellte in Gneez, mit einem Sportwagen und seidenen Schals um den Hals; das, zuzüglich Abfindung und Alimente, trug die Firma nicht, da mußte er sich so früh melden bei der Panzerabwehr in Magdeburg, daß er R. O. A. wurde, als Gefreiter in den polnischen Krieg ging und aus dem mit den Sowjets als Oberleutnant zurückkam. Nicht gleich nach Gneez. Die Briten ließen ihn Juni 1945 im Hafen von Kiel auf die Zivilbevölkerung los, da er ihnen nachweisen konnte, er habe mit der N. S. D. A. P. nie etwas zu tun gehabt, außer daß er seine Parteibeiträge vom Offiziersgehalt abbuchen ließ. Bei der Ausbildung als Schwarzhändler in Belgien, bei Emil Knoops Praxis in sämtlichen besetzten Ländern (außer Italien) war gewiß besser in der Partei sein. Was immer ihn noch ein wenig fernhielt von der liebenden Familie, in einem hamburger Kontor, das richtig ausgesehen haben soll wie ein Kontor, er mochte da seinem amateurhaften Wirtschaftsverstand ein paar wissenschaftliche Gräten eingezogen haben. Anfang 1947 übernahm er Gneez. Es kamen eben doch Leute aus dem Westen hierher! Seinem Vater überließ er den Kohlenhandel. Seine Eignung für das Fuhrgeschäft lag auf Auge wie Hand, denn er brachte einen ziemlich fabrikneuen Amerikaner mit sich, eine Sorte Lastwagen, für die es in Mecklenburg genügend Ersatzteile gab. Er spedierte kaum je in Mecklenburg. Er sprach spärlich über seine Unternehmungen, es war ihm ja wohl kaum mehr aus der Nase zu ziehen, als daß er der S. M. A. behilflich war beim Abwickeln von Geschäften. Hatte er zwar eines Tages ziemlich laut gesagt im Café Borwin: Alles muß ich den Russen besorgen, vom Panzer bit to’t Pierd, ich weiß gaa nich, woo mi de Kopp steiht! Er wußte es aber doch, denn als er einmal abends in Jerichows Lübecker Hof verhandelte, kam der Kellner schreckensbleich angelaufen und flüsterte: Herr Knoop, Karlshorst am Telefon! – Ja: sagte Emil in seiner behaglichen Art: Ohne mich können di nich. Manchmal konnten sie doch, dann saß er eine Weile unterm gneezer Landgericht. Das reformierte er binnen Tagen, besorgte sich die Schlüssel für andere Zellen, ließ Essen aus der Stadt kommen (von Frau Panzenhagen; deren Küche er der seiner Mutter vorzog), beschaffte einen Plattenspieler mit Jazzscheiben der dreißiger Jahre, so daß er den Bewachern wohl etwas lästig wurde und sie ihn nach sechs Wochen wieder entließen (mit fiebrigen Entschuldigungen). Johannes Knoop wurde immer durchsichtiger vor Angst. Gneez bekam den Beweis, wie Emil dachte von Kindestreue: im Herbst 1947 lebten die Alten schon in Hamburg, nicht gerade in Pöseldorf, sogar recht weit von der Binnenalster, so zu sagen auf dem Lande. Schreiben taten sie ihm wohl selten. Gewiß verwaltete Vater inzwischen Emils altes Kontor, bloß Emil schien es vergessen zu haben. Jedem sein angestammtes, erlerntes Geschäftsgebaren. Emils Kontor stand in Brüssel. Warum denn nicht, hatte die Sowjetzone etwa kein Handelsabkommen mit Belgien? Emils Büro im sowjetischen Sektor von Berlin hieß Export und Import, das im britischen war ein Zimmer in einer Zahnarztpraxis und kam ganz ohne ein Schild aus. Da Emil des öfteren abwesend sein mußte von Gneez, wuchs ihm die Legende bequemer an. Ein ausländischer Lastwagen mit Anhänger, der vor Papenbrocks und der Roten Armee Speicher das Korn ratzekahl auflädt und abfährt in Richtung Lübeck, Grenzübergang, er beweist nicht wenig. Emil war bald geachtet, fast beliebt bei den ordentlichen Leuten von Gneez. Konnte er nicht leben wie Louis der Letzte bei den Belgiern, und schuftete doch sich ab für Mecklenburg und die S. M. A.? Gab Emil denn an mit seinen wirtschaftlichen Erfolgen? Nein, immer den selben Hut trug er, schon recht speckig. Zeigte er nicht christliches Mitgefühl, immer von neuem? Da lebte in Gneez Frau Bell in einem Zimmer ihrer Villa im berliner Viertel von Gneez. 1916 vermöglich geschieden, immer eine reiche Frau, die Schwierigkeiten am Telefon erledigte. Nun ihr das Telefon entzogen war, konnte sie die Welt nicht mehr bewältigen. Emil ging hin und setzte sie an sein privates Telefon. Eine Hausdame hatte er ohnehin gebraucht. Trug Emil wohl Ringe von Gold am Finger? Nein, wenn er sich über etwas freuen konnte
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