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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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ist es nicht.
    Im Mai 1948 lag Cresspahl, am ganzen Leibe nackt, in einem Wassertrog, der in Johnny Schlegels Blumengarten aufgestellt war. Johnny saß neben dem Trog auf der Bank so müßig, als sei schon Feierabend. Es war früher Morgen. Die Katzen waren vernünftig genug, den Ort dieses Schauspiels zu meiden, die dummen Hühner hielten den Kopf unterwärts verdreht und verwunderten sich, wie oft sie danebenhackten. Die Hühner waren meist die einzigen, die ein Gespräch unterhielten. Alle Stunde mal klopfte Johnny hinter sich auf die Bank des offenen Fensters, dann kam Inge Paap geb. Schlegel mit einem Eimer heißen Wassers und stellte ihn an der Hausecke ab, hielt den Rücken zu beiden, blickte sich kein Mal um. Johnny mit seinem einen Arm konnte einen schweren Eimer nicht nur herantragen, er konnte ihn auch so regieren, daß das Wasser in sanftem Schwung über Cresspahl auslief und ihn am Kopf nur mit Spritzern traf.
    Da Johnny nicht weniger aufgeregt war als sein Gast, hatte er seine liebe Not mit dem Schweigen. Es ging ihm weniger um die Zeit, er hatte die Arbeit auf dem Hof verteilt und war da ganz entbehrlich. Er wurde wohl alt, daß ihm so der Mund juckte. Dieser Cresspahl wußte doch vorläufig bloß, daß seine Tochter mit den Absens noch in Jerichow war, auch im eigenen Haus. Konnte der nicht mal was fragen, nach all den Jahren Abwesenheit bei den Sowjets? Johnny warf die Würde von sich und sagte, als rechne er etwas aus: Das sei ja nun wohl eine lange Reise für Cresspahl gewesen.
    Dem ging das wohl zu dicht an Gefühlsseligkeit, der antwortete nach einer Weile zurechtweisend: Ja, von Jerichow tau’m Damshäger Krog. Das war eine Geschichte aus dem Winkel, aus der alten Zeit, als die Leute bloß reisten, wenn am Strand ein Schiff gescheitert war. Da sollten Schuster Fritz Mahler und Schmied Fritz Reink zu den Soldaten, zogen aber Freilose in Grems und ärgerten dort die Leute. Dann finden sie, sie hätten sich dumm benommen und sollten sich in der Welt bilden. Fritz reist nach rechts bis Damshagen, eine Meile von Jerichow, Fritze Mahler hält sich links, bis auch er nach Damshagen kommt. Im Krug treffen sie aufeinander mit dem Ausruf »Fritz, Fritz, treffen wir uns hier wieder in der weiten weiten Welt!« Tatsächlich war Schlegels Hof auch dicht bei Damshagen, Johnny gab das zu.
    Cresspahl wollte ihn nicht geradezu vor den Kopf stoßen. Da die beiden Weltreisenden Klützer gewesen waren, gab er zu, daß er auf dem Fußmarsch von Wismar her gegen Mitternacht am Nordende der Wohlenberger Wiek gewesen sei und dort mit dem Westwind die Glocken von Klütz gehört habe. Wie das zugehe, die Klützer hätten ihre Glocken behalten?
    – De seggn ümmer noch, wat se seggn: bestätigte Johnny, nun doch ungemütlich, seufzte auch wohl. Cresspahl nahm das stracks persönlich. Denn die Glocken von Klütz sagen:
    Schår is, wåhr is,
    dat de Lierjung dot is,
    de in’n Fiekendiek liggt.
    Hei hett nich lågen,
    hei hett nich ståhlen, nich bedrågen!
    Uns Herrgott næm em an in
    Gnå-den, Gnå-den, Gnå-den!
    und es mochte an dem sein, daß Cresspahl für die letzten zweieinhalb Jahre den Lehrjungen abgegeben hatte, unter falscher Anklage, nunmehr unten in einem Teich befindlich und ohne Aussicht auf Wiederherstellung durch einen Herrn Gott; aber Mitleid wollte er sich in der bescheidensten Äußerung verbeten haben. Deswegen sagte Cresspahl, ein wenig bösartig, bei Johnny auf dem Hof stinke es.
    Johnny holte unverzüglich tief Luft und brüllte. Denn seit einer Stunde schon war der Knabe Axel Ohr hinter der Scheune damit beschäftigt, mit Hilfe von altem Stroh eine Männerunterhose, eine Art Leibchen, sowie Filzstiefel und einen schwarzen Gummimantel zu verbrennen. Er hatte inzwischen nur Qualm zustandegebracht, statt ein Feuer, und Johnny stauchte ihn fürchterlich zusammen, mühelos über achtzig Meter hinweg. Nun mußte Axel Ohr den Brand auf der Forke um die Ecke tragen, wo der Wind den Rauch wegriß. Axel kam über den Hof geschlichen, trat schüchtern an die Hausecke und bat um die Vergünstigung, das Zeug doch lieber vergraben zu dürfen. Der nackte wie der bekleidete Mann betrachteten ihn verblüfft, fast verächtlich, so daß er sich umwandte mit hoffnunglos hängenden Schultern, beschämt, daß er an einem Befehl von Johnny habe deuteln wollen. War ja ein wüster Diktator, war Johnny. Axel Ohr durfte auch den ganzen Tag keine schwere Arbeit mehr anfassen. Nun kam Inge mit einem neuen Eimer.
    Johnny war

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