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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Dunklen erfassen, daß sie ihren Vater kaputt zurückbekommen hatte, reinweg krank; da gehörte sich Fahren im Schritt. Aber die sausende Rückkehr sah Axel Ohr schon vor sich, die Peitsche malerisch auf den linken Schenkel gestemmt, hinter ihm der staubende Weg zwischen dem bewegten Gewässer des grünen Weizens, rechts die See. Axel Ohr überwand sich dazu, für diesen Tag an sein Glück zu glauben.
    Du hest nich rohrt, Cresspahl.
    Wenn’ck man harr rohren künnt, Gesine.
    9. Juli, 1968 Dienstag
    Es ist eine gewöhnliche amerikanische Sache, Mrs. Cresspahl hätte von allein darauf kommen dürfen. Nie hätte sie für möglich gehalten, daß de Rosny ihr das zumuten würde, es sei denn mit Entschuldigungen. Die Hauptaktionäre mögen es durchgesetzt haben im Vorstand der Bank, dieses Mittelalter, dies Stück Zukunft. De Rosny hat es seiner Mrs. Cresspahl zugemutet, schlicht per Hausmitteilung, als sei sie ein Maschinenteil, dessen Mieter nach Belieben eine Änderung, eine Tiefenkontrolle verordnen darf. Nur im Westernfilm kündigen die anständigen Mörder an: Morgen wirst du nicht mehr gehen können; die Schurken schießen ohne Warnung aus dem Hinterhalt. Mrs. Cresspahl sitzt in einem tiefen weichen Lederitsessel mit dem Rücken zu einem ältlichen Techniker, von dem sie nur noch den bläulichen Kittel weiß, das Gesicht hat sie sofort vergessen in ihrer Wut. Sie ist in einem Raum, der in keiner Wand ein Fenster hat, so daß ihr die Luft knapp vorkommt. Gestrichen sind die Wände in vergilbtem Elfenbein, wie in einem Krankenhaus zu erwarten. Über ihrer Brust ist eine Gummispule befestigt, am rechten Oberarm spannt eine mit Drähten durchwirkte Binde, an jedem Handgelenk ist eine Metallplatte festgebunden. Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Hautfeuchtigkeit. Das ist der Polygraph, der Lügendetektor, an den niemand glaubt als die Polizei und die Geschäftswelt und das Militär. Die einfühlsame Stimme hinter ihr scheint Mundgeruch auszusenden. Sie hat schon eine ganze Weile geantwortet, achtlos, behindert von der Frage, ob sie lügen soll oder nicht. Die Wände sind so dick, vom ganzen Lärm New Yorks ist nur das Summen der Neonröhren zu hören, irgend wo über dem Kopf.
     
    ANTWORT
Mich weigern? Wenn ein Job daran hängt!
FRAGE
Zu den Regeln dieses Spiels gehört, daß Sie von nun an nur die Worte Ja oder Nein benutzen.
ANTWORT
Ja
FRAGE
Noch einmal Ihr Geburtsdatum. 3. März. 1933, das war’s doch?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
In Jerichow, Mecklenburg, Ostsee.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sagten vorhin, was Sie gestern abend um halb sieben getan haben.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sagten: »Ich stand auf der Promenade am Hudson. Da der Fluß so eben war, meinte meine Tochter, es sei Ebbe.«
ANTWORT
Ja.
FRAGE
»Ich habe mir die Uhrzeit gemerkt, weil ich in der New York Times nach einer Gezeitentafel suchen wollte.«
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Haben Sie es getan?
ANTWORT
Nein. Das hab ich über die Einladung in dies freundliche Zimmer vergessen.
FRAGE
Mrs.  … Cress-pahl. Sie sind erregt.
ANTWORT
Pardon. Nein. Ja.
FRAGE
Mir sind die Fragen vorgeschrieben, zusammen mit denen des Auftraggebers. Ich erfinde sie nicht. Dies ist mein Job. Da Sie mir als Person gleichgültig sein müssen, habe ich weder das Interesse, Sie zu kränken, noch Ihnen zu …
ANTWORT
Ja
FRAGE
Es ist auch nicht so, daß ich aus Ihren Antworten persönliche Schlüsse ziehe. Das besorgen die Meßinstrumente, die vor mir ausschlagen oder Kurven auf die laufende Papiertrommel zeichnen.
ANTWORT
Ja
FRAGE
Es ist ein Spiel, für uns beide.
ANTWORT
Ja
FRAGE
Sie sind deutscher Nationalität.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Westdeutscher?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Ostdeutscher Nationalität?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Westdeutscher Nationalität?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sagten vorhin »In meinem Portemonaie habe ich etwa sieben Dollar.«
ANTWORT
Ja.
FRAGE
»Mit dem Kleingeld könnten es auch acht Dollar sein.«
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sind hier, weil Ihre Bank Ihnen einen Vertrauensauftrag übergeben möchte.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie verstehen, daß Ihre Bank sich gegen Risiken absichern muß?
ANTWORT
Oh ja. Ja.
FRAGE
Bringen Sie Ihrer Bank Loyalität entgegen?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Meinen Sie die Bank, bei der Sie ein Konto unterhalten?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Meinen Sie die Bank, bei der Sie angestellt sind?
ANTWORT
Ja
FRAGE
Sie kamen in die U. S. A. am 29. April 1961.

ANTWORT
Nein.
FRAGE
Am 28. April 1961.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Mit Arbeitserlaubnis im Visum?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Ihr Name ist Gesine L.

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