Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
Vom Netzwerk:
das Seufzen mehr wegen der Zeitumstände entfahren; er fühlte sich ein wenig ungerecht gestraft. So sagte er bloß: Er habe keinen Krug auf dem Hof, aber auf einen Schnaps solle es ihm nicht ankommen. Damit hatte er Cresspahl klein, der zog wahrhaftig den Nacken ein in der Erinnerung an den Schluck, den er vorhin wegen der ordentlichen Begrüßung hatte trinken müssen. – Orre vleich ne ziehgar? faßte Johnny großzügig nach, ganz der Hausherr, der einen schlechten Gestank gutmacht mit einem guten Gestank. Cresspahl bewegte unschlüssig den Kopf, so daß Johnny sein edel gerolltes Kraut auf die äußerste Latte der Bank legte und mal wegging, in der Küche für Ordnung sorgen und Axel Ohr das Anmachholz bringen, auf das der Knabe ja von allein schwerlich verfallen würde. Als er zurückkam, lag die Zigarre ungefähr auf der selben Stelle, kaum naß, aber Cresspahl war noch bleicher im Gesicht als vorher, wenn das zu denken war. Was hatte der Mann bloß mit dem Magen, daß er nicht essen konnte!
    Dann kippten sie die Brühe aus und trugen den Bottich der Sonne hinterher, die inzwischen von den Fenstern der Döns weggegangen war. Die Hühner regten sich ungeheuerlich auf. Jetzt standen an der Ecke drei Eimer frischen Wassers.
    Johnny kam mit der Bank am Arm und erwähnte beiläufig seine Verpflichtungen gegen Cresspahl. Er sprach von seiner Gesine und ihren beachtlichen Fähigkeiten als landwirtschaftliche Arbeiterin, sowohl im Weizen als auch in den Kartoffeln. Zwei Sack Weizen habe sie noch gut, aber er wolle ihr den teilweise in Räucherwaren ausliefern. Was Cresspahl, so als Erziehungsberechtigter, dazu sage? Cresspahl erkundigte sich nach dem Datum. Denn am Morgen zuvor im Gefängnis von Schwerin hatte es so fix abgehen müssen mit dem Unterschreiben, auch konnte er die kleingeschriebenen Sachen noch nicht gut lesen. Johnny ging und kam zurück mit seiner Schullehrerbrille auf der Nase. In der Hand hatte er Cresspahls Entlassungsschein, daraus las er erst das Datum vor, dann alles. Der nackte Mann wollte es nun noch einmal mit der Zigarre versuchen. Johnny Schlegel erzählte ihm vom Vorstand des Cresspahlschen Hauses, von Jakob. Der lerne auf dem Bahnhof von Gneez das Zusammenkuppeln von Güterwagen, dennoch wolle er seinen Fuchs nicht verkaufen. Ob Cresspahl da mal mit ihm reden könne von Mann zu Mann. Jakob sei doch sonst ein Mann von Welt, mit ausgewachsenen Liebesgeschichten, hier auf dem Hof zu Gange mit einer Anne-Dörte, bis sie ihre gräfliche Verwandtschaft in Schleswig-Holstein vorzog. Johnny wäre imstande gewesen, auch noch zu erzählen von Liebestragödien ganz anderer Art, die vor seinen Augen vorgefallen waren; Männer sind so. So sind Männer, ihm waren Gesines Leiden bei Jakobs Besuchen entgangen, und Cresspahl sollte ein paar Jahre lang bei Jakob eine etwas private Abneigung gegen adlige Personen vermuten. Nun log Johnny ihm etwas vor von einem Kanister Petroleum, den Gesine auch bei ihm stehen habe. Sie hatten in ihrem Leben anderthalb Meineide für einander geschworen, diese beiden, offenbar kam es auf einen mehr nun nicht an.
    Axel Ohr postierte sich zehn Schritt entfernt und meldete erfolgreiche Verbrennung. Gewaschen hatte er sich auch, zu Johnnys ausführlicher Verwunderung, und Axel Ohr wünschte sich weg. Er war ja der Junge auf dem Hof. Allerdings zweifelte er manchmal, ob es denn wirklich Strafen waren, was Johnny jeweils über ihn verhängte in seinem drohenden Ton. Das weggelaufene Stadtkind hätte mit seinen sechzehn Jahren begreifen dürfen, daß er so gut wie adoptiert war bei den Schlegels und beiläufig fast alles gelernt hatte, was bei Friedrich Aereboe über allgemeine landwirtschaftliche Betriebslehre geschrieben stand, auch einiges mehr. Frag du Axel Ohr nach den Finessen bei der Errechnung des Solls! Nun stand er da und erwartete einen ausgefallen widerlichen Auftrag. Er sollte zum Mittagszug an den Bahnhof von Jerichow reiten. – Mit Jakob seinem Fuchs –? wiederholte er, errötend, besorgt, er könne sich verhört haben. Mit Jakob sin Voss. Johnny spülte ihm gründlich die Ohren aus, und Axel wartete auf den Haken. Kindting –! sagte Johnny, ernst, dräuend. Er konnte ja so elend hochdeutsch tun. Der Haken war, daß Axel da ein Mädchen abholen sollte, wenn auch bloß ein fünfzehnjähriges. Die würde sich ja wohl an ihm festhalten auf dem Pferd. Mit Mädchen nämlich verstand Axel es nicht so recht, selbst wenn er eins seit Jahren kannte als Cresspahls Tochter.

Weitere Kostenlose Bücher