Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Cresspahl.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Benutzen Sie nur diesen Namen?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Haben Sie früher einmal einen anderen Namen geführt?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Diente der Name dazu, ein bestehendes Gesetz zu umgehen?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Glaubten Sie sich bei der Gesetzesverletzung im Recht?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sind nicht verheiratet?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie waren nicht verheiratet?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie lehnen die Ehe als Institution ab.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie werden noch einmal heiraten?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Ihre Kindheit war unbeschwert?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Nicht immer unbeschwert?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Wenn Sie an Ihre biographische Vorgeschichte denken, halten Sie psychische Verletzungen für möglich?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Würden Sie sich als stabile Person bezeichnen?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Als unstabile Person?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie waren nicht verheiratet?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Empfinden Sie Schuld gegen lebende Personen?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Gegen verstorbene Personen?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Mehr als fünf?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Fünf.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Drei.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie haben eine Schweigepflicht, was Ihren Auftrag angeht?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Haben Sie diese Schweigepflicht verletzt?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Würden Sie die Durchführung Ihres Vertrauensauftrages in Gefahr bringen?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Ihre Tochter ist in New York geboren.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie ist in Düsseldorf geboren.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie bringen keine Loyalität auf für die Bank, bei der Sie angestellt sind?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Unterhalten Sie dort ein Konto?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Unterhalten Sie ein Konto auch bei einer anderen Bank?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie kommen aus einem kapitalistischen Land.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie kommen aus einem Land, das jenseits des Eisernen Vorhangs liegt.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie haben auf der Flucht Verluste erlitten.
ANTWORT
… Nein
FRAGE
Sie bedauern diese Verluste.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Würden Sie das Gastrecht der U. S. A. verletzen?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sind Sie niemals geschieden worden?
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sie mißtrauen dem Verfahren der Polygraphie?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie halten die Meßergebnisse des so genannten Lügendetektors für unzuverlässig?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Haben Sie den Rest des Tages frei?
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Das wär’s.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Möchten Sie sich die Kontakte selber ablösen, oder soll die Kollegin …
ANTWORT
Ja. Nein.
FRAGE
Sie fragen ja gar nicht.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Sonst, die anderen, die fragen, wissen Sie.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Können’s kaum erwarten. Aber das Resultat bleibt streng vertraulich.
ANTWORT
Ja.
FRAGE
In Ihrem Falle habe ich die Erlaubnis, Ihnen die Prozente Ihrer Wahrheitstreue mitzuteilen. Wenn Sie fragen sollten. Ein sehr gebildeter Herr, wirklicher Gentleman, so ein französischer Name, de Rosny …
ANTWORT
Ja.
FRAGE
Sie sind zu 90 Prozent wahrheitsgetreu. Vertraulich, versteht sich.
ANTWORT
Nein.
FRAGE
Ja. Sie sind jung, Mrs. Cresspahl, Sie haben noch Chancen!
Der Mann, der immer im Untergang des Ubahnhofs 96. Straße verlangt, die Juden sollten gefickt werden, hat einen Gegner, der zieht da einen Strich durch. Heute ist die Aufforderung kräftig erneuert.
Und, bitte, wer schreibt » YOPA !« auf die Wagen, Plakate, Stromzähler und Pfeiler der Subway? Und was bedeutet das?
Es ist erst viertel nach elf. Die Sonne macht die Garage an der 96. Straße zu einer behaglichen Höhle. Da steht ein Polizist und fragt zwei Angestellte aus, einen Weißen, einen Farbigen. Beide sitzen auf einer Bank, die zu kurz ist für zwei, unbequem Arsch an Arsch. Der Neger blickt nicht auf, läßt den Weißen antworten. Erst nach ausdrücklicher Aufforderung bestätigt er die Aussage, den Blick gegen den Boden: Ja, so war es wohl, kann man sagen, Mister, Sir.
10. Juli, 1968 Mittwoch
Nun haben noch die Kommunistischen Parteien von Bulgarien und Ungarn an die in Prag geschrieben. (Rumänien hält sich da heraus; begreift das Prinzip der Nichteinmischung genau so, wie die Sowjetunion es für sich in Anspruch nimmt.) Die Briefe lauten ziemlich ähnlich: in allen wird das Tschechoslowakische Zentralkomitee beschuldigt, es sei nicht scharf genug vorgegangen, weder gegen die »Revisionisten« in den eigenen Reihen noch gegen die »Konterrevolutionäre« außerhalb der Partei, welch alle die Presse, den Rundfunk, das Fernsehen mißbrauchen zur Verbreitung der Wahrheit von Vergangenheit wie Gegenwart. Aber Alexander Dubček wie Josef Smrkovský mögen nicht auftreten vor einem Tribunal der Kollegen;
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