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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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gelingt; und lustig machen dürfen wir uns über ihn.) Worauf wir gewartet haben, ist eine Zeit gleich nach Handschlag und Umarmung, die fange ich an mit der Einladung, der Bitte geradezu: Vertell, vertell! Und Marie hat schon in die Hände geklatscht und mecklenburgisch gesprochen und gerufen: Du lüchst so schön!
    Nachrichten. Wo er war. Was er gesehen hat, was ihm zustieß. So in London jener Ire, den die Stadtverwaltung in die Erde gesteckt hat, an die Kurbel eines Fahrstuhls von der Underground, der singt in seinem ewig nächtlichen Sinn von einem Johnny, I hardly knew ye, zu langsam aber glaubwürdig betrübt, mit Pausen, in denen er seine bürgerliche Fracht vor den gleitenden Gittern warnt. Der kommt mit in D. E.s Bericht, mit krausem Schnurrbart und kleinwüchsigem Baß, den hören wir und möchten ihn besuchen. Oder die wütende Olsch in Berlin, die mit ihrem Gekreische ihn aufforderte zur Auswanderung an die Berghöhen des Urals, weil er bei euch und bei Rotlicht über einen gänzlich unbefahrenen Damm schritt, nach der amerikanischen Art, und doch ein wenig aussieht wie ein Student, der fliegenden Haare wegen. (Ist das so in Westberlin, Anita?) Auch glauben wir ihm die Unersättlichkeit, mit der er uns ausfragt nach der Schule, der Stadt. Haben wir Schwester Magdalena hereingelegt mit Kenntnissen im imparfait von connaître, so daß sie wider Gunst und Willen den Buchstaben anschreiben mußte, der für Ausgezeichnet steht? Was wissen wir Neues von Mrs. Agnolo, wie spricht Eileen O’Brady mit uns, hat James Shuldiner uns abermals verfolgt mit einer Aussprache auf den schmalen Bänken bei Gustafsson? Und wiederum: was du für ein Kleid anhattest, was bei Anita für Gemüse wächst auf dem Balkon, ob du uns noch erblickst neben dem Topf, in dem eine Anita Unwillen kocht gegen die Südostasienpolitik der U. S. A.? So von neuem, so vom Ende nach vorn, querbeet und ohne Verdacht. Als hätten wir, jeder an seinem Platz, ein Stück für den anderen gelebt, aufbewahrt und mitgebracht, dem gegenseitigen Wohlgefallen zuliebe.
    Du wirst sagen, so gehe es zu nur unter Leuten, die …
    Ja. (Da ist eine Ausnahme. Wir sparen etwas aus. Wie ich wünschte, er arbeitete wo anders, so hielte er gern mich ab von einem Auftrag, der steht mir arg bevor. [Fassung für die Postzensur.] Da hilft wenig, daß ihm ein Eid auferlegt ist und auch bei mir die Pflicht von außen kommt, statt aus einem Entwurf von mir, wie es doch sein soll in den Märchen vom unfremden Leben. Das müssen wir abmachen, indem wir einander anhören, jeweils bis kurz vor die Grenze, an der aus einem Rat eine Weisung würde. Wir bringen es zustande. Muß ich noch aussprechen, daß die zivile Luftfahrt aus dem europäischen Übersee abends ankommt statt morgens? Er weiß daß ich weiß. Sollte er aufsagen, was an solchen Reisen mich stört, auf der Stelle müßte ich zustimmen mit Ja. Und meinen Namen drunterschreiben.)
    Vorbehalte, ich gebe sie zu. Und wüßte kaum einen, der mir Bange machte für Unbefangenheit.
    In London war er (neben dem anderen), um im Moorfields Eye Hospital zu klagen über die fransigen Schleier, in denen Laternenlicht seinen Augen neuerdings erscheint. An unserem Frühstückstisch verwandelte er sich, Serviette als weißer Kittel über der Schulter, in einen britischen Spezialisten und Edelmann, der trägt uns lispelnd vor mit greisenhaftem Frohlocken sowie dem bezahlten Mitgefühl: Das ist, so steht zu befürchten, Mr. Erichson, Sir, es ist das Alter …
    Dich hör ich sagen: Wenn einer und er bekennt sich zu einem Trumpf gegen ihn, einem körperlichen Gebrechen doch, statt sich zu belassen bei seinen Vorzügen …
    So ist es, Anita. Der fürchtet kein Vertrauen. Gelacht haben wir.
    Hier haben wir jemand, der sieht davon ab, uns zu verändern. Zwar würde er gern abschaffen für unseren Fall, daß hierzulande den Angestellten bloß vierzehn Tage Urlaub gegönnt sind im ganzen Jahr und kein einziger für den Haushalt; D. E. böte mir Maschinerie, die reinigt die Wäsche und trocknet sie und legt alles gebügelt auf den Tisch. Da aber dieser Haushalt auskommt mit dem gemeinschaftlichen Apparat im Souterrain von Nummer 243 und obendrein in Augenschein wünscht, was an Fisch und Obst er eintauscht für sein Geld, kann D. E. an diesem Sonnabend nur eine von uns haben. Wenn dann die andere ihm vorschlägt, noch einmal auf der Fähre all das Wasser zu vermessen zwischen den Inseln Manhattan und jener der Generalstaaten, sie darf

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