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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Jahren; nach Sitte und Anstand ließ er beim Innungsmeister anfragen um eine Unterredung. Willi Böttcher sagte mir so hastig, so bereitwillig seinen Besuch in Jerichow zu, wir mußten doch denken, er wollte den ehemaligen Häftling aus seinem eigenen Haus halten, und aus den Augen der Leute von Gneez. Er kam an einem Sonntag, im schwarzen Anzug, ohne zu schwitzen in der Septemberhitze, setzte sich zögernd, wollte lange lieber vom Wetter reden, er sah zerknautscht aus in seinem gutmütigen verschlagenen Gesicht. Als ich mit dem Kaffee kam und er mich demütig anging ums Dableiben, ein Schulmädchen von fünfzehn Jahren, wurde mir gewiß: der will beichten, und dazu braucht er jemand, vor dessen Ohr gebraucht Cresspahl keine groben Worte.
    – Heinrich: sagte er nachdrücklich, und seufzte. Was half das noch, um gut Wetter bitten.
    Cresspahl hatte zwar nach den Aussichten für das Handwerk gefragt, aber wenn Willi Sorgen bei sich trug, konnten sie ja darüber zuerst reden.
    Es war dann Cresspahls Gesine, an die Böttcher sich wandte, die er anführte als Zeugin, deren Besuche in seiner Werkstatt schon gesagt machen sollten, was ihm so schwer über die Lippen ging. Aber Gesine hatte ihm bei der Arbeit zugesehen, weil sie ihren Vater entbehrte; gesehen hatte sie nur viel Betrieb. Umsatz.
    – Ach Umsatz! schimpfte Böttcher mit einem Mal, als sei das ein Unglück, und Ärger obendrein. Es war an dem, damals –
    er sah mich an, ich schickte den Blick weiter an Cresspahl, der gab Böttcher ein Nicken zurück, damit dem erspart blieb auszusprechen: als sie Cresspahl geketscht hatten –
    hatte die Firma Böttcher sich über Wasser halten müssen mit einem Anteil an den beschlagnahmten Möbeln, die die Rote Armee als Reparationsgut bei ihr lagerte und dann doch lieber an die Einheimischen zurückverhandeln ließ (gegen Sachwerte), und die maschinelle Herstellung von Holzwürfeln für Auto-Gasgeneratoren war die Seele vom Buttergeschäft gewesen. Butter, eben. Es durfte ihm kaum mehr ankommen auf den Namen, den er sich erworben hatte mit seinen Serienmöbeln bis ins Märkische hinein; bei der Typenfertigung war er geblieben. Das waren bis ins frühe 1947 hinein die Wachttürme, die die Sowjets für ihre neuen Haftlager bestellten; er hatte bis an die polnische Grenze geliefert. Ptitschniki. Das war bequemes Arbeiten, denn die Sowjets verlangten keine Zeichnungen, beide Parteien waren in einer deutlichen Anschauung von solchen Türmen einig. Nur die Höhe war jeweils vorgeschrieben. Da es redliche mecklenburgische Arbeit war, hatte sie ihren Preis; so wurde jedes Dach in Stulpschalung ausgeführt, wie für eine kleinere Ewigkeit. Das Stück wäre neunhundert Mark wert gewesen, berechnet wurden 2400, das Geld mußte in so viele Teile gehen. Dabei hielten die Sowjets für selbstverständlich, daß Böttcher angemessen am Ertrag beteiligt war, setzten das durch bei der Preisbehörde, dem Finanzamt, dem Kommandanten von Gneez. Gesine hatte das doch gesehen.
    Sein Blick war so flehentlich. Einen Augenblick lang, wie in einem Traum, war ich sicher, ich hätte in Böttchers Hof einen Wachtturm gesehen, mit Posten und Kalaschnikow. Wie erlöst aus einem Albtraum fiel mir jener Turm ein, unter dem ich im Gräfinnenwald durchgekrochen war, und es hatte mir nichts geschehen können, denn Jakob war bei mir. Cresspahl war es, der unter solchen Türmen gelebt hatte.
    Harrst du de Dinger nich bugt för de Russen, Cresspahl? Ihrlich?
    Nich, wenn du dor twischen inspunnt wierst, Böttcher. Ihrlich.
    Auf diesen Artikel aus Böttchers Produktion tranken die beiden einen Schnaps, einen einzigen. Die Flasche blieb zwischen ihnen stehen, Denkmal für Böttchers Anteil an Cresspahls Gefangenschaft. Aber es war ausgetragen, er nahm nun etwas mehr zum Sitzen als die Kante vom Stuhl, lehnte sich endlich an. Es war an dem, zu seinem Leidwesen flutschte es nur so im Betrieb. Seine Arbeiter waren froh über die Aufträge; auch gab er ihnen Abfälle für Feuerung, bevor sie die stahlen, schlug weiterhin für sie die Nachtarbeiterzuschläge heraus, auch die Lebensmittelkarten für Schwerarbeiter. Dann kamen die Lattenzäune für Heringsdorf und anderer Kleinkram, 1947 übernahm er den Innenausbau russischer Schiffe in den Werften von Wismar und Rostock. Die fahren noch heute tüchtig zur See, seine Kajüten und Kojen, – Pfusch steht nich in Willi sein Gesangbuch!; aber er hatte eben mit 100 Prozent Verschnitt gearbeitet. (30 bis 50 wären vertretbar

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