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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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an, als beklage er sich bei dem jüngeren Kollegen. Das Neueste von Emil Knoop war, daß er mit einem sowjetischen Posten vor dem Grünen Zaun um die gneezer Barbarastraße Übungen im Grüßen veranstaltet hatte, in offener Sicht deutscher Passanten, sowjetischen Militärpersonals, ja sogar des Kommandanten J. J. Jenudkidse, der aus dem oberen Stock seiner privaten Villa bequem und fachmännisch zusah. Emil (Emile) berichtigte dem willigen Rotarmisten die Handhaltung, er drückte an dessen Füßen umher, immer zackiger wurde er gegrüßt von dem Sowjetmenschen, fast nach der Vorschrift großdeutsch, lebhaft krähend merzte er Schönheitsfehler aus: So mussu das machn! Kuck eins: Zack! zackzack! Zack! bis der Präsentiergriff saß und Emil seinerseits grüßend vorbeischritt zu seiner Konferenz mit dem Dreifachen J. Ohne Knoop, da laufe nichts. Die Leute mochten ja recht haben, wenn sie auch ihm einen Zwilling nachsagten. Denn wie konnte er in Hannover vor Gericht stehen wegen einer verschobenen Ladung Blaubasalt und zur gleichen Zeit in Jerichow verhandeln um den Abbruch der Ziegelei zu Lasten der Gemeinde? Doch, du. Den kriegssu nich zu fassn. Der fährt gleich nach Moskau, nich mit Delegation, alleine! Als Ehrengast!
    Den’n wul ick woll to fåtn kriegn.
    De hett nauch duvvelte Quittungen bi’t Fenansamt, min sünt Schåpsköttel för em!
    Willi, wenn hei di nu helpn müßt?
    Nimm mi dat nich œwel, Cresspahl. Du büst man lang wech wæst.
    Hei hett doch’n Frünt.
    Frünn’ hett hei.
    Ein Frünt: Klaas. Din Klaas.
    Jå Klaas. We denkn den ganssen Dach an em. Wat de Olsch barmt! Wenn hei noch bi de Russn is, is hei dor dot? Is hei lewig? Wenn hei nich wier, wür’ck hensmietn.
    Denn denk doch eins an em!
    Cresspahl, du …
    Hei hett’n Frünt in Gneez, de is good to Wæg mit de Russn, nu führt hei tau Besäuk …
    Emil. Emil Knoop!
    Wenn hei sin’ Frünt nich mitbringen kann ut Moskau –
    Cresspahl, dat vergæt ick di nich. Kumm du bi Dach, kumm bi Nacht, du sasst hebbn, wat du seggst. Wat du seggst, Hinrich!
    Wenn hei dat nich to Pott bringt, dœcht hei nicks. Denn is hei afmeldt in Gneez.
    Vedeint hev ick dat nich üm di. Vegætn war’ck di dat nich.
    I’d rather you forgot it right now.
    Wat?
    Du weitst von nicks. Du höllst din Muul, Willi.
    Zu dergleichen war Cresspahl inzwischen imstande. Seine Tochter nahm es für ein Zeichen von Gesundung, es war ihr recht. Beiläufig legte er sich an mit dem Wirtschaftskapitän im Landkreis, da wollte sie das Ihre tun mit Bemerkungen über einen Emil Knoop, dem fehlte die Macht und Herrlichkeit, seinen Freund Klaus von den Russen wegzuholen, bis Frau Präsident Lindsetter davon redete und Frau Dr. Schürenberg und Frau Bell in all ihrer Damenhaftigkeit. Die Firma Knoop lieferte an Herrn Heinrich Cresspahl einen Posten finnischer Bretter, daraus baute der hinter seinem Haus eine Werkstatt, eine große Stube auf Stelzen im rechten Winkel zu Lisbeths Schlafzimmer, und wenn das Landesmuseum Schwerin bei ihm anfragte, ob er wohl Restaurationsarbeiten übernehme, so hatte Knoop denen in aller Unschuld einen Brief geschrieben. Dann kamen die Leute von den Antiquitätengeschäften. Cresspahl hatte verstanden, wohin es gehen sollte in Mecklenburg mit dem Handwerk, für seine Lebenszeit dachte er durchzukommen. Es war sein letzter Rückzug. Von da an hat er nur noch allein gearbeitet.
    Emil Knoop hat nie erfahren, wer ihn da herausforderte; in Schwerin für Cresspahl hatte er vermittelt in seiner Gutmütigkeit. Die Suche nach Klaus Böttcher betrieb er in dem sportlichen Geiste, an den wir gewöhnt waren. Zwar kam er noch allein zurück aus Moskau. Es war zu Weihnachten, da sah ich einen abgerissenen jungen Mann in der Bahnhofstraße, der starrte benommen auf die Leute, die sich in Dreierreihen zu Schlangen drängten, zitternd in der Kälte, denn in den Renaissance-Lichtspielen wurde aus sowjetischem Beutegut Die Fledermaus vorgeführt mit Schauspielern, von denen er mittlerweile wohl wie wir gelernt hatte, sie seien Helfershelfer des Faschismus gewesen. Das ihm zu erklären verstand ich schlecht, als ich ihn zu seinen Eltern brachte, und ich mußte erst einen Mann von fast dreißig Jahren weinen sehen, um zu begreifen, warum Böttcher so aus gewesen war auf einen guten Leumund bei den Sowjets, auch zum Schaden eines Innungskollegen, und was Cresspahl bewogen hatte zu seiner Versöhnlichkeit, und bat meinem Vater sehr ab, wie man so sagt: von Herzen, weil man sich

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