Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
gewesen.) Ein vollständiges Kinderzimmer für den abzeichnenden Direktor kam unter solchen Umständen in einen Händedruck statt auf eine Rechnung. Als er dann die Gebäude für die Schiffsversorgung auszubauen hatte, vor allem die »Basars«, geriet er für eine Weile in Verlegenheit, denn auf das Verschieben von Lebensmitteln verstand er sich schlechter. Da kehrte Emil Knoop zurück nach Gneez und half ihm aus seinen Nöten.
Folgte die Arie auf die Luftgewinne von Emil Knoop, wie Cresspahls Kind sie auch singen konnte. Zwar war sie böse im Andenken an den Hungerwinter von 1946/47, als auf Böttchers Tisch Milch und Honig geflossen waren. Nur, was hatte Böttcher denn davon, daß er einen Mercedes fahren durfte, daß die sowjetischen Posten am Freihafen Stralsund den Schlagbaum hochzogen, weil sein fransiges trauriges Gesicht als Ausweis genügte, was nützte all das gute Leben mit Konserven aus Dänemark? Einmal stand er immer mit einem Bein im Gefängnis (– Dormit hev’ck mi avfunn’: sagte Willi, trübselig, doch mit einer Art Vorfreude). Zum anderen, die Sitzungen mit den sowjetischen Herren gerieten so elend feucht. In Stralsund fühlte ein Kellner sich ein in ihn und servierte ihm zuverlässig jedes Mal Wasser statt Richtenberger (– Das Geld könn’ Sie sich vedien’: sagte Willi Böttcher, traurig, würdiger Herr, hat bittere religiöse Enttäuschungen hinter sich). Alle Kellner an der mecklenburgischen Küste vermochte er nicht zu bestechen, so daß er einmal bei einer nächtlichen Pinkelpause zwischen Rostock und Gneez eine steile Böschung hinunterfiel und seine sowjetischen Geschäftspartner vergeßlich weiterfuhren ohne ihn, in seinem Mercedes. Die ganze Nacht im Nassen gelegen. Ne. Das wußte ganz Gneez so gut wie Cresspahl: auf das Trinken verstand Willi Böttcher sich schlecht. War er nicht begabt für. Lag immer eine halbe Woche danach zu Bett. Dann die Frau! De Olsch! Dat Wief!
Alles was wahr sei. Demnach habe ja auch Böttcher sein Päckchen zu tragen gehabt: sagte Cresspahl, freundlich. Seine Tochter war in Rage auf Böttcher wegen seiner Gemütlichkeit, aber Erwachsene waren eben unbegreiflich. Wir haben uns nu was erzählt, denn wollen wir uns vertragen. Als ob Cresspahl vom Lager Fünfeichen erzählt hätte!
Einen Zipfel von Böttchers Geschäften aber hatte immer Emil Knoop in der Hand; sperrte der sich, ging etwas schief. Willi hatte der gneezer Kommandantur ein Wandpaneel angefertigt. Die Rechnung wurde genehmigt bei der Preisbehörde, auf dem Finanzamt, das Dreifache J hätte sie wohl bis Pfingsten 1948 beglichen. Auf seinem Stuhl saß ein Stellvertreter, hinter sich den Goethe im Format 100 mal 100 aus dem gneezer Gymnasium, und verweigerte die Zahlung überhaupt. Willi ging so früh in das Sprechzimmer vor Emil Knoops Büro, daß er als Zweiter an der Reihe war. Da war Emil auf dem Sprung zu einer Reise nach Oostende; eben zu einer Auskunft war Zeit zwischen Tür und Angel: Der Kommandantenstellvertreter hatte bei einer Möbelverteilung nur eine Nähmaschine mit beschädigter Platte erwischt, begehrte aber eine junge Frau in der Rosengartenstraße und wollte ihr Gefühle beweisen. Willi Böttcher besann sich auf die Technik des Mittelalters und arbeitete ihm eine neue Nähmaschinenplatte, sorgfältig wie ein Gesellenstück, mit Zentimetermaß und Intarsienbändern. Nunmehr bezahlte der Stellvertreter für die achtzehn Quadratmeter Täfelung, ließ Böttcher unterschreiben, griff das Geld vom Tisch, tat es zurück in die Kassette, verschloß sie sehr offensichtlich, zog eine neue Quittung aus der Schublade, verlangte eine zweite Unterschrift, händigte das Geld aus … Am Abend waren die Verhandlungen in Böttchers Werkstatt gewandert, da saß der Stellvertreter bei ihm auf der Dickten, nur leicht angetrunken, und klopfte Sprüche: Ihr Deutschen, ihr denken wir alle sein dumm. (Oh doch gewiß nich, Herr Vize!) Wir schummeln aber mehr als wie ihr.
Cresspahl betrachtete seinen Innungsmeister, dessen Wort einmal Gesetz gewesen war in Handwerk und Buchführung ihres Gewerbes rund um Gneez, der jetzt eine Einnahme zweifach verbuchen mußte, wollte er nicht von der Steuerfahndung ins Zuchthaus geleitet werden. Er suchte lieber einen anderen Reim. Er fragte, wo denn Emils Macht und Herrlichkeit einmal aufhöre. – Nirgnss nich! erklärte Willi, mürrisch. Denn zwar ging das Gespräch der peinlichen Abwesenheit Cresspahls so noch einmal aus dem Wege, aber es hörte sich doch reinweg
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