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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Sitzen verschwinden darf. Nach ihr wird Amanda Williams aufgerufen, zu ihrem schlimmen Schreck, mit zornigem Blick auf Naomi neben ihr. Denn die Anwärter sollen ohne Ahnung bleiben, da steckt die Geschäftsführung sich hinter einen Zimmernachbarn oder die Freundin, die bleiben dem Opfer den Tag über auf den Fersen und schleppen es an zu dieser Feierstunde. Jetzt muß Amanda unter unser aller Augen anhören, sie sei blitzgescheit, aber bescheiden, und Aufrichtigkeit lasse die Firma auf ihre Hingabe vertrauen. Mit einem Mal sieht Amanda plump aus in ihrem dünnen Waschkleid, gelbes Blumenmuster im Ton der Wände, in ihrer Verlegenheit streckt sie dem Präsidenten den Arm in ganzer Länge entgegen, so daß der ihr entgegentreten muß zum Händedruck, aber zum ersten Mal klatscht der Saal einmütig, ihr ist es gegönnt, und als Amanda an Naomis Seite zurückkehrt, lächelt sie schon versöhnlich im Begreifen, wozu ihr die fünfhundert Dollar Beigabe helfen werden in der Schwangerschaft. Der nächste Name ist unbekannt, so noch nie ausgesprochen in diesem Haus, wie von einem Norddeutschen artikuliert: Mrs. Ge#(hss^)sine Cress^#(hss)pahl.
     
    – Trick 18! sagt Mrs. Cresspahl zu ihrer Tochter im Foyer eines der alten Prachtkinos am Broadway, wohin sie sich aus den schwülen Hitzeböen der Straße gerettet haben. Ohnehin war es ihnen zu tun um die kalte Kunstluft, weniger um einen der beiden Filme; jetzt weiß Mrs. Cresspahl an wenig anderes zu denken als an ihre öffentliche Ausstellung, und fast ist sie unzufrieden über Maries gleichmütige Antworten. Leider ist Marie weit entfernt davon, erbittert zu sein.
    – Was willst du bloß von de Rosny: sagt sie.
    – Er hat mich hineingelegt!
    – Von einem de Rosny in leibhaftiger Gestalt angeschleppt zu werden, es ist doch wie am englischen Hof. Ritterschlag, oder so.
    – Und als ich da oben stand, hat er seinen elenden Pappbecher mit seinem elenden Tee hochgehoben wie zu einem Toast!
    – Er gönnt es dir, Gesine.
    – Bisher wußten die meinen Namen, die ihn wissen mußten, oder denen ich ihn sagte. Jetzt kennt ihn die gesamte Belegschaft. Und am Freitag liegt auf jedem Schreibtisch der Text aus der Hausdruckerei!
    – Gesine, ich krieg auch nicht gern Preise in der Schule, aber ich brauch sie. Dann steh ich am Katheder ganz allein und möchte weglaufen.
    – Bist aber eingesperrt von Leuten und Klappstühlen und bist ängstlich vor Gefangenschaft.
    – Ja. Weil man doch ganz gut werfen kann mit Klappstühlen, Gesine.
    – Und schlagen.
    – Da mußt du bloß eine Weile sehr gerade stehen und den Bauch einziehen –
    – Ja.
    – Und tief durchatmen und einfach wegdenken von dem Haar, das vielleicht lose ist und einen Atemzug später aufgeht –
    – Ich hab die Hand nicht hochgebracht zum Nachfühlen!
    – Dann haben wir die Medaille des Präsidenten und einen Scheck über achthundert Dollar.
    – Aber sie haben lauter Lügen über mich gesagt!
    – Da versteck dich drin.
    – »Ihre Studien an europäischen und amerikanischen Universitäten.« Zwei Semester in Sachsen und das bißchen Nationalökonomie an der Columbia!
    – De Rosny braucht eben für seine Sachen eine studierte Assistentin.
    – »Ihre Herkunft aus dem kommunistischen Bereich hat entscheidend dazu beigetragen –«
    – Da war ich dabei, Gesine. Das hat es.
    – »daß wir im osteuropäischen Kreditgeschäft unsere passive Haltung verlassen können.«
    – Das war die Ansage. Es geht los. Wir sind unterwegs nach Prag.
    – Du, dann hätte ich nicht weglaufen dürfen von dem kalten Buffet hinterher. Sekt und Sakuska.
    – Von mir hättest du eine Entschuldigung verlangt.
    – Versógelicke, Marie.
    – An deinem Kostüm sieht doch jeder, daß es aus Rom ist. Es wird dir auch da gestanden haben.
    – Thank you very much.
    – Ist das Ding aus echtem Silber?
    – Ja. Das geben wir der alten Frau, die draußen in der 97. Straße bettelt, auf den Kinostufen die mein ich.
    – Die Medaille kriegt D. E.
    – Dem gefällt solch Fünfstrichsymbol so wenig wie mir.
    – Du bist doch eine Braut, Gesine.
    – Wieso bin ich eine Braut.
    – Du bist mit ihm verabredet zum Heiraten. Du mußt ihm was schenken.
    – Ja.
    – Silber kann man einschmelzen lassen.
    – Ja.
    – Dann kriegt D. E. einen silbernen Ring von dir.
    – Ja.
    17. Juli, 1968 Mittwoch
    Weil Cresspahls dumme Gesine sich sträubte gegen ein Leben in England, mußte er sich darauf einrichten, sie durchzubringen in jenem Mecklenburg vor zwanzig

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