Jahrmarkt der Eitelkeit
kleinen Teufel«, rief George einigen durchweichten Gassenjungen zu, die sich an der Kirchentür herumtrieben. Der Regen schlug dem Brautpaar ins Gesicht, als sie zum Wagen schritten. Die Hochzeitsschleifen der Postillione baumelten an ihren triefenden Jacken. Die wenigen Kinder riefen ein trauriges Hurra, als der Wagen schmutzspritzend davonfuhr.
William Dobbin stand in der Kirchentür und sah ihnen nach – eine seltsame Figur. Das kleine Zuschauerhäuflein lachte über ihn, aber er beachtete weder sie noch ihr Gelächter.
»Kommen Sie mit, wir wollen einen kleinen Imbiß einnehmen, Dobbin«, rief eine Stimme hinter ihm, und eine fette Hand legte sich auf seine Schulter. Die Träumerei des ehrlichen Burschen war unterbrochen. Aber dem Hauptmann stand der Sinn jetzt nicht nach einem Festessen mit Joe Sedley. Er half der weinenden alten Dame und ihren Begleitern in Joes Kutsche und verließ sie ohne ein weiteres Wort.
Auch diese Kutsche entfernte sich, und die kleinen Gassenjungen riefen noch ein Hurra, sehr sarkastisch.
»Hier, ihr kleinen Bettler«, sagte Dobbin und verteilte ein paar Münzen unter ihnen. Dann ging er allein durch den Regen davon. Alles war vorbei. Sie waren verheiratet und glücklich, darum betete er zu Gott. Seit seiner Kindheit hatte er sich noch nie so elend und so einsam gefühlt. Mit schmerzhaftem Sehnen wünschte er, daß die ersten Tage vorüber wären, damit er sie wiedersehen könnte.
Etwa zehn Tage nach der beschriebenen Feier genossen drei junge Männer aus unserer Bekanntschaft den herrlichen Anblick von Erkerfenstern auf der einen Seite und blauer See auf der anderen, den Brighton dem Reisenden bietet. Bisweilen schaut der Londoner entzückt zum Meer, wenn es mit zahllosen Grübchen lächelt, mit weißen Segeln gesprenkelt ist und Hunderte von Badekarren den Saum seines blauen Gewandes küssen. Manchmal dagegen, wenn er lieber die menschliche Natur als irgendwelche Aussichten studieren will, dann wendet er sich den Erkerfenstern und dem Menschengewimmel zu, das sich dort zeigt. Aus einem Fenster dringen die Töne eines Klaviers, auf dem eine lockige junge Dame zum großen Entzücken der Hausgenossen sechs Stunden täglich übt. An einem anderen steht das Kindermädchen, die hübsche Polly, die den kleinen Master Omnium auf den Armen wiegt, während man ein Fenster tiefer Jakob, seinen Papa, zum Frühstück Garnelen essen und die »Times« verschlingen sieht. Drüben halten die Misses Leery Ausschau nach den jungen Kürassieroffizieren, die höchstwahrscheinlich an den Klippen spazierengehen. Oder dort hält ein Londoner Kaufmann, wie ein Matrose ausstaffiert, ein Teleskop von der Größe einer Sechspfünderkanone auf das Meer gerichtet, um jedes Vergnügungsboot, jedes Fischerboot und jeden Badekarren, die ans Ufer kommen oder hinausfahren, auszumachen. Aber haben wir Zeit für eine Beschreibung von Brighton? Von Brighton, dem sauberen Neapel mit eleganten Lazzaronis 3 , von Brighton, das immer lebhaft, heiter und bunt wirkt wie eine Harlekinsjacke, von Brighton, das zur Zeit unserer Geschichte sieben Stunden von London entfernt ist, jetzt nur noch hundert Minuten, und uns noch wer weiß wieviel näher rücken mag, wenn nicht Joinville 4 kommt und es zur Unzeit bombardiert.
»Was für ein unheimlich hübsches Mädchen, das dort in der Wohnung über der Putzmacherin ist«, meinte einer der drei Spaziergänger zu den anderen. »Bei Gott, Crawley, haben Sie das Zeichen gesehen, das sie mir gab, als ich vorüberging?«
»Brechen Sie ihr nicht das Herz, Joe, Sie Schurke«, sagte ein anderer. »Spielen Sie nicht mit ihrem Gefühl, Sie Don Juan!«
»Kommt, weiter!« sagte Joe Sedley hocherfreut und warf dem betreffenden Dienstmädchen einen unwiderstehlichen Blick hinauf. Joe war in Brighton noch großartiger ausgeputzt als bei der Trauung seiner Schwester. Er hatte prächtige Westen an, von denen schon eine ausgereicht hätte, einen gewöhnlichen Stutzer aus jemandem zu machen. Er trug einen militärischen Überrock mit Säbelösen, Quasten, schwarzen Knöpfen und reichen Stickereien verziert. Er hatte in der letzten Zeit militärische Gewohnheiten und ein militärisches Äußeres angenommen; und er schritt sporenklirrend neben seinen beiden Freunden, die diesem Stande angehörten, gab ungeheuer an und schoß tödliche Blicke auf alle Dienstmädchen ab, die es wert waren, erjagt zu werden.
»Was fangen wir an, Jungs, bis die Damen zurückkommen?« fragte der Stutzer. Die Damen
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