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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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hat; und der Gedanke überkam sie ziemlich plötzlich, deshalb, weißt du, konnte sie ...«
    »Das arme Kind ist ganz Herz«, meinte Mrs. Sedley.
    »Ich wollte, sie könnte noch eine Woche bei uns bleiben«, sagte Amelia.
    »Sie sieht Miss Cutler, mit der ich oft in Dumdum zusammen war, verteufelt ähnlich; nur ist sie blonder. Sie ist jetzt mit Lance, dem Stabsarzt bei der Artillerie, verheiratet. Weißt du, Mama, daß einst Quintin vom Vierzehnten Regiment mit mir wettete ...«
    »Oh, Joseph, wir kennen diese Geschichte bereits«, sagte Amelia lachend. »Du brauchst sie uns nicht wieder aufzutischen; aber überrede Mama, daß sie an Sir Dingsbums Crawley schreibt.«
    »Hatte er nicht einen Sohn bei der Königlichen Leichten Kavallerie in Indien?«
    »Ja, willst du an ihn schreiben und ihn um Erlaubnis bitten, daß die arme, liebe Rebekka noch hierbleiben kann? Aber hier kommt sie ja mit rotgeweinten Augen.«
    »Es ist mir schon besser«, sagte das Mädchen mit dem süßesten Lächeln, das ihr zu Gebote stand, ergriff die ausgestreckte Hand der gutmütigen Mrs. Sedley und küßte sie respektvoll. »Wie freundlich sind doch alle zu mir! Alle«, setzte sie lachend hinzu, »außer Ihnen, Mr. Joseph.«
    »Ich!« sagte Joseph, der eine sofortige Flucht plante. »Grundgütiger Himmel! Lieber Gott! Miss Sharp!«
    »Ja; wie konnten Sie nur so grausam sein, mich am ersten Tage unserer Bekanntschaft dieses abscheuliche Pfeffergericht essen zu lassen? Sie sind nicht so nett zu mir wie die liebe Amelia.«
    »Er kennt dich nicht so gut«, rief Amelia.
    »Ich glaube nicht, daß jemand häßlich zu Ihnen sein könnte, meine Liebe«, bemerkte ihre Mutter.
    »Der Curry war köstlich, ja, wirklich«, meinte Joe würdevoll. »Vielleicht war nicht genug Zitronensaft darin; ja, das war es.«
    »Und die Chilis?«
    »Beim Zeus, wie Sie dabei geschrien haben!« sagte Joe, von der Komik der Situation gepackt, und bekam einen Lachanfall, der wie gewöhnlich plötzlich wieder abbrach.
    »Ein anderes Mal werde ich mich hüten, Sie für mich wählen zu lassen«, sagte Rebekka, als sie wieder zum Mittagessen hinabgingen. »Ich glaubte nicht, daß es Männer gäbe, die ihre Freude daran fänden, arme arglose Mädchen zu quälen.«
    »Bei Gott, Miss Rebekka, um nichts in der Welt möchte ich Sie quälen.«
    »Ja«, sagte sie, »ich weiß, daß Sie das nicht möchten.« Und dann drückte sie mit ihrer kleinen Hand die seine sehr zart und zog sie ganz erschrocken wieder zurück und sah ihm erst einen Augenblick ins Gesicht und dann auf die Treppenläuferstangen; und ich vermag nicht zu sagen, ob Josephs Herz nicht höher schlug, als das einfache Mädchen ihm so unwillkürlich ein schüchternes, zartes Zeichen ihrer Aufmerksamkeit gab.
    Es war ein Annäherungsversuch, und daher werden vielleicht einige vornehme Damen von unbestrittener Sittenstrenge die Handlung als unanständig verdammen; aber wie man sieht, mußte die arme Rebekka alle diese Mühe selbst auf sich nehmen. Wenn jemand zu arm ist, sich einen Dienstboten zu halten, so muß er, sei er auch noch so vornehm, seine Zimmer selbst kehren; hat ein liebes Mädchen keine liebe Mama, um die Sache mit dem jungen Mann ins reine zu bringen, so bleibt ihr nichts übrig, als es selbst zu tun. Ach, wie gut ist es, daß solche Frauen ihre Macht nicht öfter ausüben; wir können ihnen nicht widerstehen, wenn sie es tun. Schon bei der geringsten Absicht, die sie zeigen, sinken die Männer augenblicklich auf die Knie, ob alt oder häßlich, ist völlig gleichgültig. Und das ist die reine Wahrheit: Eine Frau kann bei günstiger Gelegenheit, wenn sie nicht gerade einen Buckel hat, heiraten, wen sie will. Seien wir dankbar, daß die lieben Geschöpfe wie die Tiere des Feldes sind und sich ihrer Macht nie bewußt werden. Wenn sie das täten, so würden sie uns völlig unterwerfen.
    O Gott! dachte Joseph, als er das Speisezimmer betrat, ich bekomme genau dieselben Gefühle wie bei Miss Cutler in Dumdum.
    Viele nette kleine Fragen über die Speisen richtete Miss Sharp bei Tisch halb zärtlich, halb schelmisch an ihn, denn nun stand sie schon auf ziemlich vertrautem Fuß mit der Familie, und die beiden Mädchen liebten sich wie Schwestern. Das tun junge, unverheiratete Mädchen immer, wenn sie zehn Tage in einem Hause gelebt haben.
    Als ob Amelia Rebekkas Pläne in jeder Weise fördern wollte, mußte sie ihren Bruder an ein während der letzten Osterferien gegebenes Versprechen erinnern – »als ich noch ein

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