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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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erzählte Miss Briggs auch, daß sie tags zuvor Mr. Crawley mit seiner Cousine und langjährigen Braut getroffen habe, und wie freundlich und sanft die Dame ausgesehen habe, und wie schlicht, um nicht zu sagen einfach, ihre Kleidung gewesen sei, deren Bestandteile sie vom Hut bis zu den Stiefelchen mit weiblicher Genauigkeit beschrieb und beurteilte.
    Miss Crawley ließ die Briggs ohne große Unterbrechung weiterschwätzen. Sobald ihre Gesundheit sich besserte, sehnte sie sich nach Gesellschaft. Ihr Arzt, Mr. Creamer, wollte nichts davon hören, daß sie zu ihren alten Vergnügungen und Zerstreuungen in London zurückkehrte. Die alte Jungfer war nur zu froh, in Brighton überhaupt Gesellschaft zu finden, und erwiderte nicht nur die Karten schon am nächsten Tag, sondern lud sogar Pitt Crawley sehr gnädig ein, seine Tante zu besuchen. Er kam und brachte Lady Southdown und ihre Tochter mit. Die verwitwete Gräfin verlor kein Wort über Miss Crawleys Seelenheil, sondern sprach mit viel Taktgefühl vom Wetter, dem Krieg und dem Sturz des Ungeheuers Bonaparte, vor allem aber von den Ärzten, Quacksalbern und den besonderen Verdiensten Dr. Podgers', dessen Gönnerin sie gerade war.
    Während der Unterhaltung führte Pitt Crawley einen Hauptstreich und bewies damit, daß er ein großer Diplomat hätte werden können, wäre nicht seine Karriere durch anfängliche Nachlässigkeit verhindert worden. Als die verwitwete Gräfin Southdown nach der damaligen Mode über den korsischen Emporkömmling herzog und erklärte, er sei ein Ungeheuer und mit allen möglichen Verbrechen befleckt, ein lebensuntauglicher Feigling und Tyrann, dessen Sturz schon längst prophezeit sei, ergriff Pitt Crawley plötzlich Partei für den Mann des Schicksal. Er beschrieb den Ersten Konsul 1 , wie er ihn nach dem Frieden von Amiens 2 in Paris gesehen hatte, als er, Pitt Crawley, das Vergnügen gehabt, die Bekanntschaft des großen und guten Mr. Fox zu machen, eines Staatsmannes, den er trotz verschiedener abweichender Ansichten unbedingt glühend bewundern müsse, eines Staatsmannes, der stets die höchste Meinung vom Kaiser Napoleon gehegt hatte. Er ereiferte sich gegen die treulose Behandlung des entthronten Monarchen durch die Alliierten. Nachdem er sich nämlich edelmütig ihrer Gnade ausgeliefert hätte, sei er in eine unwürdige und grausame Verbannung geschleppt worden, während an seiner Statt ein bigotter päpstlicher Pöbel Frankreich tyrannisierte.
    Dieser orthodoxe Abscheu gegen den römischen Aberglauben rettete Pitt Crawley in Lady Southdowns Augen, während seine Bewunderung für Fox und Napoleon ihn unermeßlich in Miss Crawleys Meinung steigen ließ. Ihre Freundschaft mit dem verstorbenen britischen Staatsmann ist bereits erwähnt worden, als wir sie in unserer Geschichte vorstellten. Als ein echter Whig 3 war Miss Crawley während des ganzen Krieges in der Opposition gewesen, und wenn auch der Sturz des Kaisers die alte Dame kaum erregte noch seine schlechte Behandlung ihr das Leben verkürzte oder den Schlaf raubte, so sprach ihr Pitt doch aus dem Herzen, als er ihre beiden Idole lobte, und machte durch diese Bemerkungen allein schon ungeheure Fortschritte in ihrer Gunst.
    »Und was denken Sie, meine Liebe?«, fragte Miss Crawley die junge Dame, zu der sie beim ersten Anblick, wie stets für hübsche und bescheidene junge Leute, Zuneigung gefaßt hatte, obgleich man zugeben muß, daß ihre Neigungen stets ebenso schnell abkühlten, wie sie entstanden waren.
    Lady Jane errötete tief und meinte, daß sie nichts von Politik verstünde und das lieber klügeren Köpfen überließe. Wenn nun auch zweifellos die Mama im Recht sei, so habe doch Mr. Crawley jedenfalls schön gesprochen. Als sich die Damen entfernten, äußerte Miss Crawley die Hoffnung, Lady Southdown möge die Güte haben, ihr zuweilen Lady Jane zu schicken, wenn sie abkömmlich sei, um eine arme, kranke, einsame alte Frau zu trösten. Diese Versprechen wurde gnädigst gegeben, und sie schieden in bestem Einvernehmen.
    »Lady Southdown soll nicht wieder herkommen, Pitt«, sagte die alte Dame. »Sie ist dumm und aufgeblasen wie die ganze Familie deiner Mutter, die ich nie leiden konnte. Aber bring die kleine, nette, gutmütige Lady Jane mit, sooft du Lust hast.« Pitt versprach es. Er sagte der Gräfin Southdown nicht, welche Meinung Miss Crawley von ihr hatte, sondern ließ sie im Gegenteil in dem Glauben, sie habe einen vortrefflichen und ungemein majestätischen Eindruck

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