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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Diplomat, ein. »Bei aller Achtung für die Ansicht meiner geliebten und hochverehrten Lady Southdown halte ich es nicht für ratsam, Miss Crawley so früh mit religiösen Themen zu kommen. Denken Sie an ihre zarte Gesundheit und wie wenig, wie äußerst wenig sie bisher gewohnt war, Betrachtungen über ihr ewiges Seelenheil anzustellen.«
    »Können wir denn zu zeitig anfangen?« fragte Lady Emily, die schon mit sechs Broschüren in der Hand aufstand.
    »Wenn Sie zu plötzlich damit anfangen, werden Sie sie nur erschrecken. Ich kenne die weltliche Natur meiner Tante sehr gut und bin überzeugt, jeder plötzliche Bekehrungsversuch würde ein sehr schlechtes Mittel sein, das Seelenheil dieser unglücklichen Dame zu gewinnen. Man kann sie damit nur ängstigen und ärgern. Sie wird höchstwahrscheinlich die Bücher fortwerfen und die Bekanntschaft mit den Gebern ablehnen.«
    »Pitt, Sie sind ebenso weltlich wie Miss Crawley«, sagte Emily und stolzierte mit ihren Büchern aus dem Zimmer.
    »Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu erklären, meine liebe Lady Southdown«, fuhr Pitt, ohne die Unterbrechung zu beachten, mit leiser Stimme fort, »wie verhängnisvoll sich auch nur ein kleiner Mangel an Sanftmut und Vorsicht für alle Hoffnungen auf die weltlichen Güter meiner Tante erweisen könnte. Denken Sie daran, daß sie siebzigtausend Pfund besitzt; denken Sie an ihr Alter, ihre Nervosität und ihre zarte Gesundheit überhaupt. Ich weiß, daß sie das Testament, das zugunsten meines Bruders (Oberst Crawley) lautete, vernichtet hat. Nur durch besänftigende Mittel können wir diese verwundete Seele auf den rechten Pfad bringen, nicht aber indem wir sie erschrecken, und deshalb glaube ich, Sie werden mit mir übereinstimmen, daß ... daß ...«
    »Natürlich, natürlich«, bemerkte Lady Southdown. »Jane, mein Liebling, du brauchst Mr. Irons das Billett nicht zu schicken. Wenn ihre Gesundheit so schwach ist, daß Diskussionen sie erschöpfen, dann wollen wir warten, bis es ihr besser geht. Ich will Miss Crawley morgen besuchen.«
    »Und wenn ich mir einen Vorschlag erlauben dürfte, meine Gnädigste«, fuhr Pitt in einschmeichelndem Ton fort, »so wäre es wohl gut, unsere vortreffliche Emily nicht mitzunehmen, sie ist zu enthusiastisch. Lassen Sie sich lieber von unserer sanften lieben Lady Jane begleiten.«
    »Gewiß, Emily würde alles verderben«, sagte Lady Southdown und ließ sich für dieses Mal überreden, von ihrer gewöhnlichen Methode abzugehen. Die bestand, wie wir gesagt haben, darin, daß sie eine Anzahl Traktate auf den abfeuerte, den sie unterwerfen wollte, ehe sie sich persönlich mit dem Bedrohten befaßte (wie die Franzosen ihren Angriff stets mit einer wütenden Kanonade einleiten). Lady Southdown ließ sich herbei, aus Rücksicht auf die Gesundheit der Patientin oder auf ihr ewiges Seelenheil oder auf ihr Geld, sich nicht zu überstürzen.
    Am nächsten Tage fuhr die große Familienkutsche der Damen Southdown bei Miss Crawley vor. Am Schlag konnte man die Grafenkrone und das Wappen bewundern, auf dem sich im grünen Feld die drei silbernen springenden Lämmer der Shouthdowns mit dem schwarzgoldenen Schrägbalken und den roten Schnupftabakdosen der Binkies befand. Und der große, ernsthafte Lakai überreichte Mr. Bowls die Karten der Ladys für Miss Crawley und eine für Miss Briggs. Als Ausgleich schickte Lady Emily am Abend ein Paket für Miss Briggs, das ein Exemplar der »Apfelfrau« und andere milde und beliebte Traktate zu Miss Briggs' eigenem Gebrauch und ein paar viel kräftigere für die Dienstboten enthielt, nämlich »Brosamen aus der Speisekammer«, »Bratpfanne und Feuer« und »Die Livree der Sünde«.

34. Kapitel

James Crawleys Pfeife wird ausgelöscht
    Das liebenswürdige Benehmen Mr. Crawleys und Lady Janes freundliche Begrüßung schmeichelten Miss Briggs sehr, und als die Karten der Familie Southdown Miss Crawley überbracht worden waren, legte sie ein gutes Wort für Lady Jane ein. Daß die Karte einer Gräfin persönlich für sie abgegeben wurde, freute die arme freundlose Gesellschafterin nicht wenig. »Ich möchte wissen, was Lady Southdown damit bezweckte, als sie für Sie auch eine Karte abgab, Miss Briggs«, meinte die republikanische Miss Crawley, worauf ihre Gefährtin bescheiden erwiderte, »sie hoffe, es erwecke keinen Anstoß, daß eine vornehme Lady von einer armen Dame Notiz nähme«. Die Karte legte sie in ihr Arbeitskästchen zu ihren teuersten privaten Schätzen. So

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