Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
Vom Netzwerk:
auf seine Tante gemacht.
    So besuchte Lady Jane Miss Crawley recht häufig, begleitete sie auf ihren Spazierfahrten und vertrieb ihr des Abends oftmals die Zeit, denn sie hatte nichts dagegen, einer Kranken beizustehen, und war vielleicht im Innern froh, ab und zu dem langweiligen Gesäusel von Ehrwürden Bartholomew Irons und den frommen Speichelleckern, die sich um die Fußbank der pompösen Gräfin, ihrer Mama, scharten, zu entrinnen. Sie war von Natur aus so gut und weich, daß selbst die Firkin nicht eifersüchtig auf sie war, und die sanfte Briggs glaubte, ihre Freundin sei in Gegenwart der guten Lady Jane weniger grausam zu ihr. Miss Crawley benahm sich gegenüber der Lady reizend. Die alte Jungfer erzählte ihr tausend Anekdoten aus ihrer Jugendzeit und sprach mit ihr ganz anders als früher mit der gottlosen kleinen Rebekka. Lady Janes Unschuld stempelte nämlich lose Reden zu einer Unverschämtheit, und Miss Crawley hatte zu gute Manieren, um eine solche Reinheit zu beleidigen. Die junge Dame selbst hatte von keiner Seite als von dieser alten Jungfer, von ihrem Bruder und ihrem Vater Güte empfangen, und sie vergalt Miss Crawleys engoûment mit schlichter, anmutiger Freundschaft.
    An den Herbstabenden (an denen Rebekka als die fröhlichste unter den fröhlichen Siegern in Paris umherflatterte, und unsere Amelia, unsere liebe, verwundete Amelia, ach! wo war sie?) saß Lady Jane gewöhnlich in Miss Crawleys Wohnzimmer und sang ihr in der Dämmerung mit süßer Stimme ihre einfachen Liedchen vor, während die Sonne unterging und die Meereswogen an die Küste donnerten. Die alte Jungfer erwachte stets, wenn das Singen aufhörte und verlangte nach mehr. Die Briggs vergoß Freudentränen, wenn sie auf das glänzende Meer hinausblickte, das langsam dunkel wurde, und auf die Himmelslichter, die immer heller strahlten. Wer kann das Glück und die Gefühle der Briggs beschreiben, die dasaß und vorgab zu stricken?
    Inzwischen fand Pitt im Speisezimmer bei einer Broschüre über die Korngesetzte oder einem Missionarregister die Erholung, die romantischen und unromantischen Männern nach dem Essen ansteht. Er schlürfte Madeira, baute Luftschlösser, hielt sich für einen prächtigen Kerl, fühlte sich verliebter in Jane als je zuvor in den sieben Jahren, die ihre Verbindung jetzt schon ohne das geringste Zeichen von Ungeduld auf seiner Seite dauerte, und schlief viel. Wenn es Zeit für den Kaffee war, kam Mr. Bowls lärmend herein, und rief Squire Pitt, der im Dunkeln sehr stark mit seiner Broschüre beschäftigt war.
    »Es wäre schön, meine Liebe, wenn ich jemanden auftreiben könnte, der mit mir Pikett spielt«, sagte Miss Crawley eines Abends, als der Butler mit den Kerzen und dem Kaffee erschien. »Die arme Briggs spielt nicht besser als eine Eule. Sie ist so dumm« (die alte Jungfer ergriff jede Gelegenheit, die Briggs vor den Dienstboten schlechtzumachen); »und ich glaube, ich würde besser schlafen, wenn ich mein Spielchen hätte.«
    Bei diesen Worten errötete Lady Jane bis hinter die Ohren und bis in ihre hübschen Fingerspitzen. Sobald Mr. Bowls das Zimmer verlassen hatte und die Tür fest hinter sich zugemacht hatte, sagte sie:
    »Miss Crawley, ich spiele ein bißchen. Ich habe – habe manchmal mit meinem armen lieben Papa gespielt.«
    »Kommen Sie her und geben Sie mir einen Kuß, und zwar augenblicklich, Sie liebes gutes Seelchen«, rief Miss Crawley begeistert, und als Mr. Pitt mit der Broschüre in der Hand heraufkam, fand er die alte und die junge Dame bei dieser malerischen und schönen Beschäftigung. Wie sie an diesem Abend andauernd errötete – die arme Lady Jane!
    Man braucht sich nicht einzubilden, daß Mr. Pitts Schliche der Aufmerksamkeit seiner lieben Verwandten im Pfarrhaus von Queen's Crawley entgangen wären. Hampshire und Sussex liegen sehr nahe beieinander, und Mrs. Bute besaß in Sussex Freunde, die dafür sorgten, daß sie alles und noch viel mehr als alles, was in Miss Crawleys Haus in Brighton vorging, erfuhr. Pitt ging immer mehr bei ihr aus und ein. Er kam oft monatelang nicht ins Schloß, wo sich sein abscheulicher Vater vollständig dem Alkohol und der Gesellschaft dieser widerlichen Familie Horrocks ergeben hatte. Pitts Erfolge wurmten die Pfarrersleute, und Mrs. Bute bereute mehr als je (obwohl sie es weniger denn je zugab), daß sie einen großen Fehler begangen hatte. Wie hatte sie nur Miss Briggs so beleidigen und so hochmütig und knauserig gegen Bowls und die Firkin

Weitere Kostenlose Bücher