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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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ein gutes Heilmittel sein soll, wo man die Jungen ertappt, wie sie sich heimlich mit der Schere ihrer Schwester rasieren, und wo ihnen der Anblick eines anderen jungen Mädchens unerträgliche Schrecken bereitet. Die großen Hände und Handgelenke ragen weit aus den zu eng gewordenen Kleidern, und nach dem Essen ist ihre Gegenwart furchtbar sowohl für die Damen, die in der Dämmerung zusammen im Wohnzimmer flüstern, als auch für die Herren beim Wein, die sich in ihrer freien Unterhaltung und dem Austausch guter Witze durch die Anwesenheit der tapsigen Unschuld behindert fühlen. Der Papa sagt dann nach dem zweiten Glas: »Jack, mein Junge, geh hinaus und sieh zu, ob sich das Wetter heute hält«, und der Jüngling, froh, seine Freiheit zu bekommen, aber doch traurig, noch kein Mann zu sein, verläßt das unvollständige Mahl.
    James, damals noch ein linkischer Bursche, war jetzt ein junger Mann geworden, der die Vorteile einer Universitätsbildung genossen und jene unschätzbare Politur erworben hatte, die man erhält, wenn man in flotter Gesellschaft in einem kleinen College lebt, Schulden macht, zeitweise von der Universität ausgeschlossen wird und durch das Examen fällt.
    Als er sich seiner Tante in Brighton vorstellte, war er jedoch ein hübscher Bursche, und gutes Aussehen galt bei der wankelmütigen alten Dame stets als Empfehlung. Sein Erröten und seine Verlegenheit schadeten dabei nichts, ihr gefielen diese Anzeichen für die gesunde Unschuld des jungen Mannes.
    Er sagte, er sei auf ein paar Tage hergekommen, um einen Studienfreund zu besuchen, und – »und um Ihnen meine Aufwartung zu machen, Madame, und viele Grüße von meinen Eltern auszurichten, die hoffen, daß es Ihnen gut geht.«
    Pitt war gerade bei Miss Crawley, als der junge Bursche angemeldet wurde, und blickte sehr bestürzt, als er den Namen hörte. Die alte Dame besaß viel Humor und weidete sich an der Überraschung ihres korrekten Neffen. Sie erkundigte sich interessiert nach der Familie im Pfarrhaus und verkündete, sie besuchen zu wollen. Sie lobte den Jüngling ins Gesicht, erklärte, er sei gutgewachsen und habe sich zu seinem Vorteil verändert und es sei schade, daß seine Schwestern nichts von seinem hübschen Aussehen besäßen. Als sie auf ihre Frage erfahren hatte, daß er sein Quartier im Gasthaus aufgeschlagen hatte, wollte sie nichts davon wissen, daß er dort wohnen bliebe, sondern befahl Mr. Bowls, augenblicklich Mr. James Crawleys Sachen holen zu lassen; »und hören Sie, Bowls«, fügte sie gnädig hinzu, »Sie werden so freundlich sein und Mr. James' Rechnung bezahlen.«
    Sie warf Pitt einen schlauen Triumphblick zu, daß der Diplomat vor Neid fast erstickte. So hoch er es auch in der Gunst seiner Tante gebracht hatte, hatte sie ihn doch noch nicht eingeladen, in ihrem Hause zu wohnen, und da kam nun so ein Grünschnabel, der auf den ersten Blick aufgenommen wurde.
    »Ich bitte um Verzeihung, mein Herr«, sagte Bowls und trat mit einer tiefen Verbeugung vor, »aus welchem Hotel soll Thomas das Gepäck holen?«
    »Oh, verdammt«, rief der junge James und sprang auf, als ob ihn etwas beunruhigte, »ich gehe selbst.«
    »Wie!« fragte Miss Crawley.
    »In ›Tom Cribbs 4 Wappen‹«, erwiderte James und wurde knallrot.
    Als er den Namen nannte, brach Miss Crawley in lautes Gelächter aus. Mr. Bowls als vertrauter Diener der Familie erlaubte sich ein wieherndes Lachen, verschluckte aber den Rest der Salve. Der Diplomat lächelte nur.
    »Ich – ich wußte kein besseres«, sagte James mit niedergeschlagenen Augen. »Ich bin noch nie hiergewesen, der Kutscher hat davon gesprochen.« Der junge Lügner! In Wirklichkeit hatte James Crawley tags zuvor in der Southamptoner Postkutsche den Tutbury-Liebling getroffen, der nach Brighton fuhr, um mit dem Rottingdean-Schläger einen Kampf auszutragen. Er war von der Unterhaltung mit dem »Liebling« so entzückt gewesen, daß er den Abend mit diesem technisch begabten Mann und dessen Freunden in dem fraglichen Wirtshaus verbracht hatte.
    »Ich – ich gehe am besten selbst und bezahle die Rechnung«, fuhr James fort. »Ich kann das nicht von Ihnen verlangen, Madam«, fügte er großmütig hinzu.
    Dieses Taktgefühl versetzte seine Tante in noch größere Heiterkeit.
    »Gehen Sie und bezahlen Sie die Rechnung, Bowls«, sagte sie mit einer Handbewegung, »und bringen Sie sie mir.«
    Die arme Dame! Sie wußte nicht, was sie getan hatte. »Da ist auch noch – ich habe noch einen kleinen

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