Jahrmarkt der Eitelkeit
ließ sich aus diesem Mantel einen Umhang fertigen, worin sie zur Bewunderung aller im Bois de Boulogne 9 spazierenfuhr: und du, verehrter Leser, hättest die Szene zwischen ihr und ihrem erfreuten Mann erleben sollen, den sie beim Einmarsch der Armee in Cambray wiedertraf, als sie ihre Kleider auftrennte und all diese Uhren, Schmucksachen, Banknoten, Schecks und Wertgegenstände ans Tageslicht beförderte, die sie in Brüssel, vor ihrer beabsichtigten Flucht, im Futter verborgen hatte! Tufto war ganz bezaubert und Rawdon so erfreut, daß er vor Lachen brüllte und schwor, sie sei besser als jedes Theaterstück, das er je gesehen hatte, beim Zeus! Sie beschrieb ihm mit drolligen Worten, wie sie Joseph geprellt hatte, und das steigerte sein Entzücken zu einer wahnsinnigen Begeisterung. Er glaubte so fest an seine Frau wie die französischen Soldaten an Napoleon.
Sie hatte in Paris große Erfolge. Alle französischen Damen fanden sie reizend. Sie sprach deren Sprache ausgezeichnet und hatte im Nu deren Grazie, Lebhaftigkeit und Manieren angenommen. Ihr Mann war offensichtlich dumm – alle Engländer sind dumm –, aber in Paris ist ein einfältiger Ehemann stets ein Attribut zugunsten einer Dame. Er war der Erbe der reichen und geistvollen Miss Crawley, deren Haus während der Emigration für so viele Angehörige des französischen Adels offengestanden hatte. Sie empfingen die Frau des Obersten in ihren Hotels. »Warum«, schrieb eine vornehme Dame an Miss Crawley, die die Spitzen und Schmucksachen der Herzogin zu deren eigenem Preis abgekauft und sie während der schweren Zeit nach der Revolution oft zum Essen eingeladen hatte – »warum kommt nicht unsere teure Miss zu ihrem Neffen und ihrer Nichte und ihren geneigten Freunden nach Paris? Jedermann ist ganz vernarrt in die bezaubernde junge Frau und ihren Schalk und ihre Schönheit. Ja, wir erkennen in ihr die Grazie, den Charm und den Witz unserer lieben Freundin Miss Crawley! Der König nahm gestern in den Tuilerien 10 Notiz von ihr, und wir sind alle ungemein eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die Monsieur ihr erweist. Hätten Sie nur den Ärger einer gewissen dummen Lady Bareacres sehen können (deren Habichtsnase und Federbarett die Köpfe aller Anwesenden überragen), als die Herzogin von Angulême, die erhabene Tochter und Gefährtin von Königen, ausdrücklich wünschte, Mrs. Crawley, da sie Ihre liebe Tochter und Ihr protégée 11 ist, vorgestellt zu werden, und ihr im Namen Frankreichs für alle Wohltaten dankte, die Sie unseren Unglücklichen während ihres Exils erwiesen haben. Sie ist auf allen Gesellschaften, auf allen Bällen – ja, sie kommt zu allen Bällen, aber sie tanzt nicht; und doch, wie interessant und hübsch sieht dieses holde Wesen aus, umgeben von der Huldigung der Männer, sie, die so bald Mutter werden wird! Sie von Ihnen, ihrer Beschützerin und Mutter, sprechen zu hören, könnte Menschenfressern Tränen entlocken. Wie sie Sie liebt! Wie sehr wir alle unsere bewundernswerte, verehrungswürdige Miss Crawley lieben!«
Es steht zu befürchten, daß dieser Brief von der großen Pariser Dame Mrs. Beckys Belange bei ihrer bewundernswerten, verehrungswürdigen Verwandten keineswegs günstig beeinflußten. Im Gegenteil, die Wut der alten Jungfer kannte keine Grenzen, als sie vernahm, in welchen Umständen sich Rebekka befand und wie frech sie sich des Namens von Miss Crawleys bedient hatte, um in der Pariser Gesellschaft Zutritt zu erlangen. Zu sehr erschüttert an Körper und Geist, um einen Antwortbrief auf französisch abzufassen, diktierte sie der Briggs eine wütende Entgegnung in ihrer Muttersprache, worin sie Mrs. Rawdon Crawley ganz und gar verleugnete und die Öffentlichkeit vor ihr warnte, da sie eine ungemein gerissene und gefährliche Person sei.
Da aber die Herzogin von X nur zwanzig Jahre in England gelebt hatte, so verstand sie auch nicht ein Wort von der Sprache und begnügte sich damit, Mrs. Rawdon Crawley bei ihrer nächsten Zusammenkunft mitzuteilen, daß sie einen bezaubernden Brief von der »chère Mies« 12 bekommen habe und daß er nur Liebes und Gutes über Mrs. Crawley enthalte.
Diese begann nun ernstlich zu hoffen, daß die alte Jungfer sich doch noch erweichen lassen würde.
Inzwischen war sie die lustigste und am meisten bewunderte aller Engländerinnen und hatte an ihren Empfangsabenden immer einen kleinen europäischen Kongreß bei sich – Preußen und Kosaken, Spanier und Engländer –, die ganze
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