Jahrmarkt der Eitelkeit
Welt gab sich während dieses berühmten Winters ein Stelldichein in Paris. Beim Anblick der Sterne und Ordensbänder in Rebekkas bescheidenem Salon wäre wohl die ganze Baker Street 13 vor Neid erblaßt. Berühmte Krieger ritten im Bois neben ihrem Wagen oder drängten sich in ihrer bescheidenen kleinen Loge in der Oper. Rawdon war in der besten Laune. Bis jetzt gab es in Paris noch keine ungestümen Gläubiger; täglich fanden bei Véry oder Beauvilliers Gesellschaften statt; es wurde viel gespielt, und er hatte Glück. Tufto hatte wahrscheinlich schlechte Laune. Mrs. Tufto war nämlich auf ihre eigene Einladung hin nach Paris gekommen, und abgesehen von diesem contretemps 14 , umdrängten nun zwanzig Generale Beckys Platz, und sie hatte die Wahl zwischen zwölf Buketts, wenn sie ins Theater ging. Lady Bareacres und die Spitzen der englischen Gesellschaft, dumme, untadelige Frauenzimmer, wanden sich vor Wut über den Erfolg dieses kleinen Emporkömmlings Becky, deren giftige Witze in ihren keuschen Busen nagten und zuckten. Sie hatte aber alle Männer auf ihrer Seite und bekämpfte die Frauen mit unerschütterlichem Mut. Und die konnten nur in ihrer eigenen Sprache über sie herziehen.
So verging Mrs. Rawdon Crawley der Winter 1815/16 mit Festen, Vergnügungen und gutem Leben. Sie paßte sich in die feine Welt so gut ein, als ob ihre Vorfahren seit Jahrhunderten vornehme Leute gewesen wären, und wegen ihres Witzes, ihres Talents und ihrer Energie verdiente sie wirklich einen Ehrenplatz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit.
Im zeitigen Frühjahr 1816 enthielt »Galignanis Bote« 15 in einer interessanten Ecke folgende Anzeige:
»Am 26. März – die Gemahlin Oberstleutnant Crawleys von der Grünen Leibgarde – von einem Sohn und Erben entbunden.«
Diese Anzeige übernahmen die Londoner Zeitungen, und Miss Briggs las Miss Crawley in Brighton beim Frühstück die Erklärung vor. Wenn solch ein Ereignis auch zu erwarten gewesen war, so rief die Nachricht doch eine Krise in den Familienangelegenheiten der Crawleys hervor. Die Wut der alten Jungfer erreichte ihren Höhepunkt, und sie schickte sofort nach Pitt, ihrem Neffen, und nach Lady Southdown vom Brunswick Square und drang auf eine baldige Heirat, die in beiden Familien schon so lange geplant war. Zugleich verkündete sie ihre Absicht, dem jungen Paar noch zu ihren Lebzeiten jährlich tausend Pfund auszusetzen. Nach ihrem Tod sollte dann die Hauptmasse ihres Vermögens ihrem Neffen und ihrer lieben Nichte, Lady Jane Crawley, zufallen.
Waxy kam von London, um die Dokumente auszufertigen – Lord Southdown gab seine Schwester zur Ehe. Sie wurde von einem Bischof und nicht von Ehrwürden Bartholomew Irons getraut – zum Ärger dieses irregulären Prälaten.
Nach der Hochzeit hätte Pitt gern eine Hochzeitsreise unternommen, wie es sich für Leute seines Standes schickte. Die alte Dame hatte aber eine so starke Neigung für Lady Jane gefaßt, daß sie rundheraus erklärte, sich von ihrem Liebling nicht trennen zu können. Pitt und seine Frau zogen daher zu Miss Crawley, und Lady Southdown herrschte von ihrem benachbarten Haus aus über die ganze Familie – Pitt, Lady Jane, Miss Crawley, die Briggs, die Firkin, Bowls und alle anderen, sehr zum Ärger des armen Pitt, der auf der einen Seite den Launen seiner Tante, auf der anderen denen seiner Schwiegermutter ausgeliefert war und sich sehr unglücklich vorkam. Die Lady verabfolgte ihnen unbarmherzig ihre Traktate und Arzneien; sie entließ Creamer und stellte für ihn Rodgers ein; sie ließ Miss Crawley auch nicht den leisesten Schimmer von Autorität. Die arme Seele wurde so eingeschüchtert, daß sie sogar aufhörte, die Briggs zu tyrannisieren, und sich täglich furchtsamer und liebevoller an ihre Nichte klammerte. Friede über dich, du gütige, egoistische, eitle, großmütige alte Heidin! Wir werden dich nicht wiedersehen. Hoffen wir, daß Lady Jane sie gütig unterstützte und mit sanfter Hand aus dem geschäftigen Treiben des Jahrmarkts der Eitelkeit hinausführte.
35. Kapitel
Witwe und Mutter
Die Nachricht von den Schlachten von Quatre-Bras und Waterloo kam zu gleicher Zeit nach England. Die »Gazette« veröffentlichte zuerst das Ergebnis der beiden Schlachten, und ganz England bebte in Triumph und Furcht. Später folgten dann Einzelheiten, und nach der Verkündigung der Siege kam die Liste mit den Verwundeten und Gefallenen. Wer kann die Angst beschreiben, mit der dieses Verzeichnis gelesen wurde! Man
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