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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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beschrieb die Bälle im Regierungsgebäude, erzählte, wie man sich bei heißem Wetter mittels Punkahs 8 , Tattys 9 und anderen Einrichtungen Erfrischung verschaffe, äußerte sich höchst witzig über die Schotten, die Lord Minto, der Generalgouverneur, begünstigte; und dann berichtete er von einer Tigerjagd, wobei eins dieser wütenden Tiere seinen Elefantentreiber vom Sitz heruntergerissen hatte. Wie entzückt war Miss Rebekka von den Regierungsbällen, wie lachte sie über die Geschichten von den schottischen Adjutanten und nannte Mr. Sedley dabei einen schlimmen, mutwilligen Spötter; und wie erschrocken war sie über die Beschreibung von dem Elefanten! »Um Ihrer Mutter willen, lieber Mr. Sedley«, bat sie, »um all Ihrer Freunde willen, versprechen Sie mir, daß Sie sich nie, nie mehr auf ein so schreckliches Unternehmen einlassen!«
    »Pah, Miss Sharp«, sagte er und zog den Hemdkragen hoch, »die Gefahr macht ja den Sport erst aus.« Er hatte erst einmal an einer Tigerjagd teilgenommen, und zwar gerade, als der fragliche Vorfall sich ereignete, und dabei war er beinahe gestorben – nicht durch den Tiger, sondern vor Angst. Als er mit der Unterhaltung fortfuhr, wurde er immer kühner und erdreistete sich tatsächlich, Miss Rebekka zu fragen, für wen sie wohl die grünseidene Börse arbeite? Er war sehr überrascht und entzückt über seine anmutige, vertrauliche Art.
    »Für irgend jemand, der eine Börse braucht«, erwiderte Miss Rebekka und blickte ihn äußerst sanft und gewinnend an. Sedley war im Begriff, eine seiner wortreichsten Reden zu halten, und hatte gerade begonnen: »Oh, Miss Sharp, wie ...«, als ein Lied, das nebenan gesungen wurde, endete und er seine eigene Stimme so deutlich vernahm, daß er innehielt, errötete und sich in großer Aufregung schneuzte.
    »Haben Sie je so etwas wie Ihres Bruders Beredsamkeit gehört?« flüsterte Mr. Osborne Amelia zu. »Ich muß schon sagen, Ihre Freundin hat Wunder gewirkt.«
    »Um so besser«, sagte Miss Amelia, die, wie fast alle unnützen Frauen, im Innersten eine Kupplerin war und die erfreut gewesen wäre, wenn Joseph eine Frau nach Indien mitgenommen hätte. Sie hatte im Laufe dieser wenigen Tage, in denen sie beständig mit Rebekka zusammen war, eine innige Zuneigung zu dem Mädchen gefaßt und hatte an ihr unzählige Tugenden und liebenswürdige Eigenschaften entdeckt, die sie nicht bemerkt hatte, solange sie beide in Chiswick waren. Die Freundschaft junger Mädchen wächst ebenso schnell wie Jacks Zauberbohne 10 und erreicht in einer einzigen Nacht den Himmel. Man kann ihnen nicht übelnehmen, wenn nach der Heirat diese »Sehnsucht nach der Liebe« nachläßt. Was sentimentale Leute, die gerne große Worte machen, die Sehnsucht nach dem Ideal nennen, bedeutet einfach, daß Frauen gewöhnlich nicht zufrieden sind, bis sie Männer und Kinder haben, auf die sie ihre Liebe, die sonst gleichsam in kleiner Münze ausgegeben wird, konzentrieren können.
    Nachdem Miss Amelia ihren kleinen Liederschatz erschöpft hatte oder lange genug im hinteren Teil des Salons gewesen war, erschien es ihr angebracht, ihre Freundin zum Singen zu bewegen. »Sie würden mir nicht zugehört haben«, sagte sie zu Mr. Osborne (obwohl sie wußte, daß es eine kleine Lüge war), »wenn Sie vorher Rebekka gehört hätten.«
    »Gleichwohl muß ich Miss Sharp im voraus zu verstehen geben«, sagte Osborne, »daß ich, ganz gleich ob zu Recht oder Unrecht, Miss Amelia Sedley als beste Sängerin der Welt betrachte.«
    »Sie werden es ja hören«, meinte Amelia, und Joseph Sedley war wirklich so höflich, die Kerzen zum Klavier zu tragen. Osborne gab zu verstehen, es lasse sich ebensogut im Finstern sitzen, allein Miss Sedley lehnte es lachend ab, ihm länger Gesellschaft zu leisten, und die beiden folgten daher Mr. Joseph. Rebekka sang weit besser als ihre Freundin (obgleich natürlich Osborne ruhig bei seiner Ansicht bleiben durfte) und gab sich außerordentliche Mühe, und selbst Amelia, die sie noch nie zuvor so gut hatte singen hören, war verwundert. Sie trug ein französisches Lied vor, von dem Joseph überhaupt nichts verstand und das nicht zu verstehen auch George gestehen mußte; dann folgte eine Anzahl der einfachen Balladen, die vor vierzig Jahren Mode waren und in denen britische Matrosen, unser König, die arme Susanna, die blauäugige Mary und ähnliches mehr eine Rolle spielten. Sie sollen in musikalischer Hinsicht nicht besonders anspruchsvoll sein, allein sie

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