Jahrmarkt der Eitelkeit
Fahne gekämpft hatte, nachdem die Fahnenträger gefallen waren. Auf dieser Straße hatten sie sich am nächsten Tage zurückgezogen, und hier war der Erdwall, an dem das Regiment in der Nacht zum 17. im Regen biwakierte. Dort drüben war die Stellung, die sie eingenommen und den ganzen Tag gehalten hatten, wobei sie sich immer wieder formierten, um den Angriffen der französischen Kavallerie zu begegnen, und sich zum Schutz gegen das wütende französische Geschützfeuer immer wieder hinter dem Erdwall niederwarfen. Und an diesem Hügel geschah es, als am Abend die gesamte englische Linie den Befehl zum Vordringen erhielt und der Feind nach seinem letzten Angriff zurückwich, daß der Hauptmann, degenschwingend und mit einem Hurra auf den Lippen, den Hügel hinabeilte, einen Schuß erhielt und tot niederfiel. »Major Dobbin hat dann den Leichnam des Hauptmanns nach Brüssel zurückgebracht und ihn begraben lassen, wie der Herr ja weiß«, berichtete der Hauptfeldwebel mit leiser Stimme. Während er seine Geschichte erzählte, schrien die Bauern und Reliquienjäger aus der Gegend um die beiden herum und boten allerlei Andenken an die Schlacht, Kreuze und Epauletten, zerschossene Kürasse und Adler, zum Verkauf an.
Osborne gab dem Hauptfeldwebel eine stattliche Belohnung, als er nach dem Besuch der Stätten, die der Schauplatz der letzten Taten seines Sohnes gewesen waren, von ihm schied. Das Grab hatte er bereits gesehen; das hatte er sofort nach seiner Ankunft in Brüssel aufgesucht. George lag auf dem schönen Friedhof von Laeken, nahe bei der Stadt. Bei einem Ausflug dorthin hatte er einmal leichthin den Wunsch geäußert, da begraben zu werden. Hier war nun der junge Offizier von seinem Freund in einem ungeweihten Winkel des Friedhofs bestattet worden, durch eine Hecke von den Tempeln und Türmen, den Blumen und Sträuchern getrennt, unter denen die katholischen Toten ruhen. Der alte Osborne empfand es als eine Demütigung, daß sein Sohn, ein englischer Gentleman, Hauptmann in der berühmten britischen Armee, nicht für würdig befunden worden war, in der Erde zu liegen, in der nichts weiter als Ausländer begraben waren. Wer von uns kann sagen, wieviel Eitelkeit sich in unserer wärmsten Empfindung anderen gegenüber verbirgt und wie selbstsüchtig unsere Liebe ist? Der alte Osborne dachte noch viel über den Zwiespalt seiner Gefühle und den Kampf zwischen seinem Instinkt und seiner Selbstsucht nach. Er glaubte fest daran, daß alles, was er tat, richtig sei und daß es immer nach seinem Willen gehen müsse, und gegen jeden Widerstand erhob sich sein Haß, gewappnet und giftig, wie der Stachel einer Wespe. Er war stolz auf seinen Haß, wie auf alles andere. Stets recht haben, stets vorwärtskommen und nie zweifeln, sind dies nicht die Eigenschaften, mit denen die Dummheit die Welt regiert?
Als sich Mr. Osbornes Wagen nach dem Besuch in Waterloo bei Sonnenuntergang dem Stadttor näherte, begegnete ihm eine andere Kutsche, in der zwei Damen und ein Herr saßen, während ein Offizier nebenherritt. Osborne fuhr zusammen, und der Hauptfeldwebel neben ihm warf seinem Nachbar einen erstaunten Blick zu, während er den Offizier mit der Hand an der Mütze grüßte, der seinerseits den Gruß mechanisch erwiderte. Es war Amelia mit dem lahmen jungen Fähnrich an der Seite und der treuen Freundin Mrs. O'Dowd ihr gegenüber. Es war Amelia, aber wie verschieden von dem frischen munteren Mädchen, das Osborne kannte! Ihr Gesicht war bleich und abgezehrt, ihr hübsches braunes Haar lag gescheitelt unter einer Witwenhaube! Das arme Kind! Ihre Augen waren starr und blickten ins Leere. Sie sah Osborne ausdruckslos ins Gesicht, als die Wagen aneinander vorbeifuhren, erkannte ihn aber nicht, ebensowenig wie er sie erkannte, bis er aufblickte und Dobbin neben ihr reiten sah. Da wußte er, wen er vor sich hatte. Er haßte sie. Er wußte nicht, wie sehr, bis er sie hier gesehen hatte. Als ihr Wagen vorbei war, wandte er sich dem Hauptfeldwebel zu mit einem trotzigen, aufsässigen Blick, dem sein Begleiter nicht ausweichen konnte – als wollte er sagen: wie wagst ausgerechnet du es, mich anzusehen? Verdammt sollst du sein! Ich hasse sie. Sie ist es, die alle meine Hoffnungen und meinen Stolz zunichte gemacht hat. »Sag dem Halunken, er soll schneller fahren«, schrie er fluchend dem Lakai auf dem Bock zu. Eine Minute später kam ein Pferd über das Pflaster hinter Osbornes Wagen galoppiert, und Dobbin ritt heran. Seine Gedanken
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