Jahrmarkt der Eitelkeit
beobachtet und beschrieben haben, uns vor dem entsetzlichen Kummer, unter dem es blutet, zurückziehen müssen. Tretet still an das Schmerzenslager der armen geknickten Seele. Schließt leise die Tür des dunklen Zimmers, in dem sie leidet, wie jene guten Menschen, die sie in den ersten Monaten ihre Schmerzes pflegten und sie nicht verließen, bis ihr der Himmel Trost gesendet hatte. Ein Tag kam – ein Tag fast entsetzlicher Freude und Verwunderung, wo das arme verwitwete Wesen ein Kind an die Brust drückte, ein Kind mit den Augen ihres dahingegangenen Georges, einen kleinen engelschönen Knaben. Welch eine Wonne, seinen ersten Schrei zu hören! Wie sie über ihm lachte und weinte! Wie Liebe und Hoffnung und Gebet wieder in ihrer Brust erwachten, als der Säugling sich an sie schmiegte! Sie war gerettet. Die Ärzte, die sie behandelten und für ihr Leben oder ihren Verstand gefürchtet hatten, hatten ängstlich auf diese Krisis gewartet, ehe sie erklären konnten, beides sei gerettet. Es war die langen Monate der Furcht und des Zweifels wert für die, die sich in ihre Pflege geteilt hatten, ihre Augen noch einmal zärtlich strahlend auf sie gerichtet zu sehen.
Unser Freund Dobbin war einer von ihnen. Er war es, der sie nach England in das Haus ihrer Mutter zurückgebracht hatte, als Mrs. O'Dowd auf den entschiedenen Befehl ihres Mannes hin die Patientin verlassen hatte. Es wäre eine Herzensweide für jeden gefühlvollen Menschen gewesen, zu sehen, wie Dobbin das Kind hielt, und zu hören, wie Amelia bei diesem Anblick frohlockend lachte. William hatte das Kind aus der Taufe gehoben und bot seinen ganzen Scharfsinn auf, um Tassen, Löffel, Becher, Schüsselchen und Beißkorallen für seinen kleinen Paten einzukaufen.
Wir brauchen hier nicht zu erzählen, wie ihn seine Mutter pflegte und kleidete und nur für ihn lebte, wie sie alle Kinderwärterinnen fortjagte und kaum jemandem anders gestattete, ihn zu berühren, wie sie glaubte, die größte Gunst, die sie seinem Paten, Major Dobbin, erweisen könne, sei, ihn zuweilen mit dem Kleinen spielen zu lassen. Das Kind war ihr ganzes Leben. Ihr ganzes Dasein war eine einzige mütterliche Liebkosung. Sie umhüllte das schwache und unwissende Geschöpf mit Liebe und Anbetung. Es war ihr Leben, was der Säugling von ihrer Brust trank. Nachts und wenn sie allein war, brach ihre Mutterliebe heimlich und gewaltig in Entzücken aus, wie Gottes wunderbare Güte sie dem weiblichen Instinkt gewährt – – Freuden, die höher und tiefer sind als die Vernunft, eine blinde, schöne Hingabe, die nur Frauenherzen kennen. William Dobbins Aufgabe war es, über diese Regungen Amelias nachzudenken und ihr Herz zu beobachten, und wenn er in seiner Liebe fast alle Gefühle ahnen konnte, die Amelias Herz bewegten, so sah er leider auch mit unheilvoller Deutlichkeit, daß darin kein Platz für ihn geblieben war. Und so ertrug er sanft sein Schicksal. Er kannte es und war zufrieden damit.
Wahrscheinlich durchschauten Amelias Eltern die Absichten des Majors und waren nicht abgeneigt, ihn zu ermutigen, denn Dobbin kam täglich in ihr Haus und blieb stundenlang bei ihnen, bei Amelia oder dem ehrlichen Mr. Clapp, ihrem Wirt, und seiner Familie. Er brachte unter irgendeinem Vorwand fast täglich Geschenke für jeden mit, und bei dem kleinen Mädchen des Hauswirtes, das Amelias Liebling war, hieß er nur »Major Zuckererbse«. Dies kleine Mädchen spielte gewöhnlich die Zeremonienmeisterin und führte ihn bei Mrs. Osborne ein. Eines Tages mußte sie doch lachen, als Major Zuckererbse im Wagen nach Fulham gefahren kam und mit einem Holzpferd, einer Trommel und Trompete und anderem Kriegsspielzeug für den kleinen George ausstieg, der kaum ein halbes Jahr alt war und für den die besagten Gegenstände wohl doch etwas verfrüht kamen.
Das Kind schlief. »Pst!« machte Amelia, vielleicht etwas ungehalten über die knarrenden Stiefel des Majors. Sie hielt ihm die Hand hin und lächelte, weil er sie erst ergreifen konnte, als er sich seiner Spielwarenlast entledigt hatte. »Geh hinunter, Klein Mary«, sagte er dann zu dem Kind, »ich muß mit Mrs. Osborne etwas besprechen.« Sie blickte erstaunt auf und legte den Kleinen ins Bett.
»Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden, Amelia«, sagte er, während er sanft ihr zartes, weißes Händchen ergriff.
»Verabschieden? Und wohin soll die Reise gehen?« fragte sie lächelnd.
»Schicken Sie Ihre Briefe an meine Beauftragten, man wird sie mir
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