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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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fünfundzwanzig Jahren, als unter Ellistons 2 Regie der »Heuchler« mit Dowton 3 und Liston 4 gegeben wurde? Zwei Knaben erhielten damals von ihren königstreuen Lehrern der Slaughter-House-Schule, in der sie erzogen wurden, frei, um auf der Bühne des Drury Lane Theaters zu erscheinen, inmitten einer Menge, die sich dort versammelt hatte, um den König zu begrüßen.
Der König!
Da war er! Vor der königlichen Loge standen Leibgardisten, hinter dem Stuhl, auf dem er saß, stand der Marquis von Steyne (Lord des Haarpuderkabinetts) und andere hohe Staatsbeamte. Da saß er mit blühendem Gesicht, von stattlicher Gestalt, ordenbedeckt, mit reichem, lockigem Haar. Wie wir »Gott schütz den König!« sangen, wie das Haus von dieser herrlichen Melodie widerhallte und erzitterte! Wie sie Hochrufe ausstießen, schrien und mit Taschentüchern winkten! Damen weinten, Mütter preßten ihre Kinder an sich, einige fielen vor Rührung in Ohnmacht. Im Parkett wurden Menschen fast erstickt; Schreien und Stöhnen stieg auf aus der drängenden und rufenden Menge seines Volkes, das bereit war, das Leben für ihn zu lassen und es in einigen Fällen auch fast schon tat. Ja, wir haben ihn gesehen. Das kann uns kein Schicksal mehr rauben! Andere haben Napoleon gesehen. Einige wenige leben noch, die Friedrich den Großen, Dr. Johnson, Marie Antoinette geschaut haben – sei es also unser gerechter Stolz gegenüber unseren Kindern, daß wir Georg, den Guten, den Herrlichen, den Großen, gesehen haben!
    Endlich nun kam der glückliche Tag in Mrs. Rawdon Crawleys Leben, an dem dieser Engel in das ersehnte Hofparadies eingelassen wurde. Ihre Schwägerin war dabei Patin. Am festgesetzten Tag fuhren Sir Pitt und seine Frau in der großen Familienkutsche (die gerade neu gebaut worden war für den Amtsantritt des Baronets als Oberrichter seiner Grafschaft) vor dem kleinen Hause in der Curzon Street vor, zur großen Erbauung des armen Raggles. Er beobachtete sie von seinem Gemüseladen aus und erblickte schöne Straußenfedern im Wagen und ungeheure Blumensträuße an den neuen Livreen der Bedienten.
    Sir Pitt in schimmernder Uniform stieg aus und betrat das Haus, wobei ihm der Degen ständig zwischen die Beine geriet. Der kleine Rawdon drückte sein lächelndes Gesicht gegen die Fensterscheiben des Wohnzimmers und nickte aus Leibeskräften seiner Tante im Wagen zu. Kurze Zeit darauf kam Sir Pitt wieder aus dem Haus, am Arm eine Dame mit hohem Federbusch. Sie war in einen weißen Schal gehüllt und hielt zierlich eine Schleppe von herrlichem Brokat hoch. Sie stieg in die Kutsche, als wäre sie eine Prinzessin und seit frühester Jugend gewohnt, bei Hofe zu erscheinen. Dem Lakaien am Wagenschlag sowie dem hinter ihr einsteigenden Sir Pitt gewährte sie ein gnädiges Lächeln. Rawdon kam in seiner alten Gardeuniform, die erbärmlich abgetragen und viel zu eng geworden war. Er sollte eigentlich der Prozession in einer Mietsdroschke folgen, um seinem König die Aufwartung zu machen, aber seine gutmütige Schwägerin bestand darauf, daß sie als Familie fahren sollten. Die Kutsche war geräumig, die Damen nicht dick, sie konnten die Schleppe auf den Schoß nehmen – schließlich fuhren die vier in brüderlicher Eintracht los, und ihr Wagen schloß sich der Reihe königstreuer Equipagen an, die sich Piccadilly und St. James' Street hinab ihren Weg bahnten, zu dem alten Backsteinpalast, wo der Stern von Braunschweig seinen Adel und die Vornehmen des Landes empfing.
    Becky war es zumute, als sollte sie die Leute vom Wagenfenster aus segnen – so gehobener Stimmung war sie, und so stark war das Gefühl der hohen Würde, die sie nun erreicht hatte. Selbst unsere Becky hatte ihre Schwächen. Man sieht oft, daß Menschen auf Eigenschaften stolz sind, die andere an ihnen gar nicht entdecken. So glaubt zum Beispiel Comus fest, daß er der bedeutendste tragische Schauspieler Englands sei, Brown, der berühmte Schriftsteller, strebt danach, nicht als Genie, sondern als Mann von Welt angesehen zu werden, und Robinson, der große Rechtsanwalt, legt nicht den geringsten Wert auf seinen Ruf in der Westminster Hall 5 , sondern hält sich für unvergleichlich im Querfeldeinreiten und Hindernisspringen. Beckys Lebensziel nun war es, eine achtbare Frau zu sein und dafür gehalten zu werden. Sie hatte sich das vornehme Wesen mit erstaunlichem Eifer und schnellem Erfolg angenommen. Zuzeiten hielt sie sich selbst für eine feine Dame und vergaß, daß zu Hause kein Geld

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