Jahrmarkt der Eitelkeit
erklärte ihn zum bezauberndsten aller Männer. Sie ging zu Colnaghi 10 und bestellte das schönste Porträt von ihm, das die Kunst hervorgebracht hatte und das auf Kredit zu haben war. Sie wählte das berühmte, auf dem der beste der Monarchen dargestellt ist, wie er im Pelzrock mit Kniehosen und seidenen Strümpfen auf einem Sofa sitzt und geziert unter seiner braunen Lockenperücke hervorlächelt. Sie ließ ihn auf eine Brosche malen, die sie ständig trug und amüsierte ihre Bekannten und fiel ihnen auch etwas auf die Nerven mit ihrem dauernden Gerede über seine Höflichkeit und Schönheit. Wer weiß, vielleicht glaubte die kleine Frau, sie könne eines Tages die Rolle einer Maintenon 11 oder Pompadour 12 spielen.
Den größten Spaß nach ihrer Vorstellung bei Hofe machte es jedoch, sie tugendhaft sprechen zu hören. Sie besaß ein paar weibliche Bekannte, die auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit nicht im besten Ruf standen. Als sie nun aber sozusagen zu einer ehrbaren Frau gemacht worden war, wollte Becky nicht mehr mit diesen zweifelhaften Wesen verkehren. Sie schnitt Lady Crackenbury, wenn diese ihr aus ihrer Opernloge zunickte, und ignorierte Mrs. Washington White, wenn sie im Park an ihr vorüberfuhr. »Man muß zeigen, daß man jemand ist, mein Lieber«, sagte sie, »man darf sich nicht mit zweifelhaften Leuten sehen lassen. Ich bemitleide Lady Crackenbury von Herzen, und Mrs. Washington White mag ein sehr netter Mensch sein; du kannst ja mit ihnen speisen, da du so gern deinen Robber spielst, aber ich darf und will nicht. Du wirst also die Güte haben, Smith mitzuteilen, er solle sagen, ich sei nicht zu Hause, wenn eine von ihnen zu Besuch kommt.«
Einzelheiten von Beckys Hofkleid wurden in den Zeitungen berichtet: Federn, Spitzen, prächtige Diamanten und alles andere. Mrs. Crackenbury las den Absatz in bitterer Laune und besprach mit ihren Verehrern das vornehme Getue, das diese Frau sich angewöhnt hatte. Mrs. Bute Crawley und ihre Töchter auf dem Lande erhielten ein Exemplar der »Morning Post« aus London und machten ihrer gerechten Entrüstung Luft.
»Wenn du rotblond, grünäugig und die Tochter einer französischen Seiltänzerin wärst«, bemerkte Mrs. Bute zu ihrer ältesten Tochter (die das ganze Gegenteil, nämlich dunkel, klein und stumpfnasig war), »so könntest du auch prächtige Diamanten haben und von deiner Cousine, Lady Jane, bei Hofe vorgestellt werden. Du bist aber nur von guter Herkunft, mein armes, liebes Kind. Du hast nur bestes englisches Blut in den Adern und gute Grundsätze und Frömmigkeit als Aussteuer. Ich selbst, die Schwägerin eines Baronets, habe nie daran gedacht, bei Hofe vorgestellt zu werden, ebensowenig wie andere Leute, wenn die gute Königin Charlotte noch lebte.« Auf diese Weise tröstete sich die ehrwürdige Pfarrersfrau, und ihre Töchter seufzten und saßen den ganzen Abend über dem Adelskalender.
Ein paar Tage nach der ruhmvollen Vorstellung wurde der tugendhaften Becky noch eine Ehre zuteil. Lady Steynes Wagen fuhr an Mrs. Rawdon Crawleys Tür vor, und der Lakai schlug nicht die Vorderfront des Hauses ein, wie man nach seinem entsetzlichen Klopfen hätte annehmen können, sondern er erbarmte sich und gab nur zwei Karten mit dem Namen der Marquise von Steyne und der Gräfin Gaunt ab. Wenn diese Stückchen Pappe schöne Gemälde gewesen wären oder es wären hundert Meter Brüsseler Spitzen darum gewickelt gewesen, die doppelt soviel Guineen gekostet hätten – Rebekka hätte sie nicht freudiger betrachtet. Man darf sicher sein, daß sie einen auffallenden Platz in der Porzellanschale auf dem Tisch des Salons einnahmen, in der Becky die Visitenkarten aufbewahrte. Du lieber Gott! Wie schnell sanken die kleinen, vernachlässigten Karten der armen Mrs. Washington White und der Lady Crackenbury, die unsere kleine Freundin erst vor wenigen Monaten noch mit so großem Vergnügen erhalten hatte und auf die das einfältige Geschöpf einst so stolz gewesen war, auf den Grund des ganzen Bündels, als diese großartigen Hofkarten dazukamen. Steyne! Bareacres! Jones von Helvellyn und Caerlyon von Camelot! Wir können sicher sein, daß Becky und die Briggs diese erlauchten Namen im Adelskalender nachschlugen und die edlen Geschlechter durch alle Zweige ihrer Stammbäume verfolgten.
Lord Steyne, der ein paar Stunden später kam und sich umsah und wie gewöhnlich alles bemerkte, fand die Karten seiner Damen bereits als Trümpfe offen in Beckys Hand. Er lächelte, wie es
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