Jahrmarkt der Eitelkeit
finden. Becky lachte ein paarmal laut auf, als der Oberst in seiner ungeschickten und stockenden Weise seinen sentimentalen Kummer über den Weggang des Jungen auszudrücken versuchte. Der arme Kerl fühlte, daß ihm seine reinste Freude und der beste Freund entrissen war. Oft blickte er sehnsüchtig auf das leere Bettchen in seinem Ankleidezimmer, wo das Kind geschlafen hatte. Besonders schmerzlich vermißte er ihn morgens, wenn er lustlos ohne ihn im Park spazierenging. Erst als der kleine Rawdon fort war, merkte er, wie einsam er eigentlich war. Die, die den Kleinen liebten, hatte er auch gern, und stundenlang konnte er bei seiner gutherzigen Schwägerin Lady Jane sitzen und mit ihr über die Tugenden, das gute Aussehen und hundert andere hervorragende Eigenschaften des Kindes plaudern.
Die Tante liebte, wie gesagt, den kleinen Rawdon sehr, und auch ihr kleines Mädchen vergoß reichliche Tränen, als die Abschiedsstunde schlug. Rawdon der Ältere war Mutter und Tochter für ihre Liebe dankbar. Seine besten und ehrlichsten Gefühle kamen zum Vorschein, wenn er, von ihrem Mitgefühl ermuntert, diesen offenherzigen Ergüssen seiner Vaterliebe freien Lauf ließ. Er erwarb sich mit diesen Gefühlen nicht nur Lady Janes Wohlwollen, sondern auch ihre aufrichtige Achtung, während er sie seiner Frau gegenüber verbergen mußte. Die beiden Schwägerinnen mieden sich, wo sie nur konnten. Becky lachte höhnisch über Lady Janes weiches Gemüt, und deren liebevolle sanfte Natur wiederum konnte nicht umhin, sich gegen die Gefühllosigkeit ihrer Schwägerin zu empören.
Das alles entfremdete Rawdon seiner Frau mehr, als er wußte oder sich eingestand. Sie dagegen kümmerte sich um diese Entfremdung nicht. Ja sie vermißte weder ihn noch sonst jemanden. Sie betrachtete ihn als ihren Boten und demütigen Sklaven. Er mochte noch so bedrückt oder mürrisch sein – sie bemerkte entweder nichts oder lächelte nur höhnisch. Sie dachte nur an ihre Stellung, ihre Vergnügungen und ihr Fortkommen in der Gesellschaft. Ganz sicher hätte sie einen bedeutenden Platz darin einnehmen sollen.
Nicht sie, sondern die gute Briggs hatte dem Knaben die Sachen gepackt, die er zur Schule mitnehmen sollte. Molly, das Hausmädchen, schluchzte im Hausflur, als er fortging – Molly, freundlich und ergeben, obwohl man ihr seit langem den Lohn schuldete. Rawdon wollte den Jungen zur Schule bringen, aber Mrs. Becky konnte ihm den Wagen nicht zur Verfügung stellen. Mit den Pferden in die Stadt fahren – das war ja unerhört! Soll er doch eine Droschke kommen lassen. Sie bot dem Jungen keinen Kuß, als er ging, und das Kind machte auch keine Anstalten, sie zu umarmen. Der alten Briggs gab er einen Kuß, obwohl er ihr gegenüber im allgemeinen mit Liebkosungen zurückhaltend war, und tröstete sie mit dem Hinweis, daß er an den Sonnabenden immer nach Hause kommen würde und sie ihn dann sehen könnte. Als die Droschke nach der Stadt rollte, ratterte Beckys Wagen zum Park. Sie lachte und scherzte mit einem Dutzend junger Stutzer an der Serpentine, als Vater und Sohn durch die alten Pforten die Schule betraten. Rawdon ließ das Kind dort zurück und fuhr mit einem traurigeren, reineren Gefühl im Herzen ab, als es der arme gebeugte Bursche je gekannt hatte, seit er selbst das Kinderzimmer verlassen hatte.
Trübselig wanderte er den ganzen Weg zurück und aß mit der Briggs allein Abendbrot. Er war sehr freundlich zu ihr und dankbar für die Liebe und Obhut, die der Knabe bei ihr gefunden hatte. Ihn plagte das Gewissen, daß er von der Briggs Geld geborgt und geholfen hatte, sie zu betrügen. Sie sprachen lange über den kleinen Rawdon, denn Becky kam nur nach Hause, um sich umzuziehen und zum Diner zu fahren. Dann ging er voller Unruhe zu Lady Jane zum Tee, um ihr zu erzählen, was geschehen war und daß sich der kleine Rawdon sehr tapfer gehalten habe, und er werde einen langen Umhang und kleine Kniehosen tragen, und der junge Blackball, der Sohn Jack Blackballs vom alten Regiment, habe sich seiner angenommen und versprochen, freundlich zu ihm zu sein.
Im Laufe einer Woche hatte der junge Blackball Rawdon zu seinem Fuchs, Schuhputzer und Frühstücksbrotröster ernannt, ihn in die Geheimnisse der lateinischen Grammatik eingeweiht und drei- oder viermal geprügelt, wenn auch nicht sehr. Das gutmütige, ehrliche Gesicht des kleinen Burschen gewann ihm die Herzen aller. Er erhielt nur so viel Schläge, wie zweifellos gut für ihn waren, und galten das
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