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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Rawdon fuhr also zum Hause von Mr. Moss in der Cursitor Street und wurde in diese traurige Stätte der Gastfreundschaft gebührend eingeführt. Der Morgen zog über den freundlichen Giebeln der Chancery Lane herauf, als die ratternde Droschke die Echos dort weckte. Ein kleiner blinzelnder Judenjunge, mit einem Kopf so rot wie der erwachende Morgen, ließ die Gesellschaft ins Haus ein. Mr. Moss, Rawdons Reisegefährte und Wirt, hieß seinen Gast willkommen und fragte heiter, ob er nach der Fahrt wohl etwas Warmes trinken wolle.
    Der Oberst war nicht so gedrückt, wie man von einem Sterblichen erwartet hätte, der einen Palast und eine placens uxor 1 verließ, um sich in einem Schuldgefängnis wiederzufinden, denn er hatte, um bei der Wahrheit zu bleiben, schon früher ein paarmal in Mr. Moss' Anstalt gewohnt. Wir hielten es im früheren Verlauf dieser Erzählung nicht für nötig, diese unerheblichen häuslichen Vorfälle zu erwähnen. Der Leser kann jedoch versichert sein, daß das im Leben eines Mannes, der von nichts lebt, häufig vorkommt.
    Von seinem ersten Besuch bei Mr. Moss war der Oberst, damals noch Junggeselle, durch die Großmut seiner Tante befreit worden. Bei dem zweiten Unfall hatte die kleine Becky in aller Freundlichkeit eine Geldsumme von Lord Southdown geborgt und dem Gläubiger ihres Mannes (der in Wirklichkeit ihr Lieferant für Schals, Samtkleider, Spitzentaschentücher, Juwelen und Flitter war) so lange geschmeichelt, bis er sich mit einem Teil der verlangten Summe und für den Rest mit einem Schuldschein von Rawdon zufriedengab. Beide Male waren also Gefangennahme und Befreiung auf allen Seiten sehr höflich vor sich gegangen, und Moss befand sich daher mit dem Oberst im besten Einvernehmen.
    »Sie werden Ihr altes Bett wieder vorfinden und jede Bequemlichkeit haben, Oberst, das kann ich ehrlich behaupten. Sie können sich darauf verlassen, daß es gut gelüftet ist, und noch dazu von der besten Gesellschaft. Vorgestern nacht schlief darin der ehrenwerte Hauptmann Famish vom 50. Dragonerregiment. Seine Mama holte ihn erst nach vierzehn Tagen hier heraus, um ihn zu bestrafen, wie sie sagte. Aber, du lieber Gott, ich sage Ihnen, er strafte meinen Champagner und gab jeden Abend hier eine Gesellschaft – die nobelsten Stutzer aus den Klubs und von West End: Hauptmann Ragg, der ehrenwerte Deuceace, der im Temple wohnt, und einige andere junge Kerls, die ein gutes Glas Wein kennen, das kann ich Ihnen sagen. Oben habe ich einen Doktor der Theologie, und im Kaffeezimmer sind fünf große Herren. Mrs. Moss hat um halb sechs eine Tabbel de hotte 2 , und dann gibt es Kartenspielen oder Musik. Wir werden uns glücklich schätzen, Sie zu sehen.«
    »Ich läute, wenn ich etwas brauche«, sagte Rawdon und ging ruhig in sein Schlafzimmer. Er war, wie gesagt, ein alter Soldat und von kleinen Schicksalsschlägen nicht so schnell zu erschüttern. Ein Schwächerer hätte seiner Frau im Augenblick seiner Gefangennahme geschrieben. Was nützt es denn aber, ihre Nachtruhe zu stören, dachte Rawdon, sie wird es nicht einmal wissen, ob ich in meinem Zimmer bin oder nicht. Es bleibt noch Zeit genug, ihr zu schreiben, wenn sie ausgeschlafen hat und ich auch. Es sind nur hundertsiebzig, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht soviel aufbringen könnten. Damit legte sich der Oberst in das Bett, das zuletzt Hauptmann Famish benutzt hatte, und dachte an den kleinen Rawdon (der nicht erfahren sollte, an was für einem seltsamen Ort er sich befand). Dann schlief er ein. Es war zehn Uhr, als er aufwachte, und der rotköpfige Jüngling brachte ihm mit selbstbewußtem Stolz einen feinen, silbernen Toilettenkasten, damit er sich rasieren könnte. In der Tat war Mr. Moss' Haus zwar etwas schmutzig, aber doch durch und durch großartig. Auf den Seitentischen standen ewig Tabletts und Weinkühler herum, in den vergitterten Fenstern, die auf die Cursitor Street hinausgingen, hingen an mächtigen, vergoldeten, schmutzigen Gardinenstangen schmierige gelbe Atlasvorhänge. Breite, schmutzige Goldrahmen umgaben Jagd- und Heiligenbilder von den größten Meistern. Sie erzielten bei den Schuldgeschäften, bei denen sie fortwährend gekauft und verkauft wurden, höchste Preise. Dem Oberst wurde das Frühstück auf ebenso schmierigem wie prachtvollem Geschirr serviert. Miss Moss, ein schwarzäugiges Mädchen mit Lockenwickeln, erschien mit der Teekanne und fragte den Oberst lächelnd, wie er geschlafen habe. Sie brachte ihm die

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