Jahrmarkt der Eitelkeit
Gerichtsdieners eintreten.
»Oberst Crawley«, sagte sie, heftig zitternd. Er schloß mit schlauem Blick die äußere Tür hinter ihr, öffnete dann die innere und rief: »Oberst, Sie werden gewünscht!« Dann führte er sie in das Hinterzimmer, das Rawdon bewohnte.
Der Oberst trat aus dem Speisezimmer, wo sie alle zechten, in sein Hinterzimmer. Ein breiter Streifen grellen Lichtes folgte ihm in den Raum, wo die Dame, sichtlich nervös, noch stand.
»Ich bin es, Rawdon«, sagte sie furchtsam, wobei sie versuchte, ihrer Stimme einen munteren Klang zu verleihen. »Ich – Jane.« Rawdon war von diesen gütigen Lauten und der Erscheinung ganz überwältigt. Er lief ihr entgegen, schloß sie in die Arme, stammelte einige unzusammenhängende Dankesworte und schluchzte heftig an ihrer Schulter. Sie verstand die Ursache seiner Erregung nicht.
Mr. Moss' Rechnung war bald berichtigt, vielleicht sogar zum Ärger dieses Herrn, der darauf gerechnet hatte, den Oberst wenigstens über Sonntag als Gast zu behalten. Mit strahlendem Lächeln und Glück in den Augen führte Jane Rawdon aus dem Haus des Gerichtsvollziehers fort und fuhr mit ihm in der Droschke heim, in der sie zu seiner Erlösung herbeigeeilt war.
Pitt sei bei einem Parlamentsessen gewesen, erzählte sie, als sein Billett gekommen sei, »und deshalb, lieber Rawdon, bin ich – ich selbst gekommen.« Mit diesen Worten legte sie ihre gütige Hand in seine. Vielleicht war es für Rawdon Crawley nur gut gewesen, daß Pitt zum Essen ausgegangen war. Er bedankte sich bei seiner Schwägerin hundertmal und so glühend, daß die weichherzige Frau gerührt und fast beunruhigt war.
»Oh!« sagte er in seiner rauhen, schlichten Art, »Du – du weißt nicht, wie sehr ich mich verändert habe, seit ich dich, und – und den kleinen Rawdon habe. Ich – ich möchte gern anders werden. Weißt du, ich möchte – ich möchte – ein ...« Er beendete den Satz nicht, aber sie wußte, was er meinte, und als er sie an diesem Abend verlassen hatte und sie am Bett ihres eigenen kleinen Knaben saß, betete sie demütig für den armen müden Sünder.
Rawdon verließ sie und ging eiligst nach Hause. Es war neun Uhr abends. Er rannte durch die Straßen und überquerte die großen Plätze des Jahrmarkts der Eitelkeit, und endlich stand er atemlos vor seinem Haus. Nach dem ersten Blick fuhr er zurück und sank zitternd gegen das eiserne Gitter. Die Salonfenster waren strahlendhell erleuchtet, und dabei hatte sie gesagt, sie läge krank im Bett. Eine Zeitlang stand er da, und das Licht aus den Zimmern schien auf sein bleiches Gesicht.
Er zog seinen Hausschlüssel hervor und öffnete die Tür. Aus den oberen Zimmern konnte er Gelächter hören. Er trug noch den Ballanzug, in dem er in der letzten Nacht gefangengenommen worden war. Schweigend stieg er die Treppe hinauf und lehnte sich oben gegen das Geländer. Im ganzen Haus rührte sich sonst nichts – alle Diener hatten Ausgang. Rawdon hörte drinnen Lachen – Lachen und Gesang. Becky sang eine Stelle aus dem Lied vom Abend vorher, eine heisere Stimme rief: »Bravo! Bravo!« Es war die von Lord Steyne. Da öffnete Rawdon die Tür und trat ein. Auf einem kleinen Tisch war für ein Diner gedeckt, Wein und Silber standen bereit. Steyne lehnte über dem Sofa, auf dem Becky saß. Die nichtswürdige Frau war in glänzender Garderobe; ihre Arme und Finger schimmerten von Reifen und Ringen, und auf ihrer Brust funkelten Brillanten – das Geschenk Steynes. Er hielt ihre Hand in seiner und beugte sich zum Kuß darüber, als Rebekka Rawdons weißes Gesicht bemerkte und mit einem schwachen Schrei hochfuhr. Im nächsten Augenblick versuchte sie ein Lächeln, ein schreckliches Lächeln, als ob sie ihren Mann willkommen heißen wollte. Steyne erhob sich zähneknirschend, bleich und wütend.
Auch er versuchte zu lachen und trat ihm mit ausgestreckter Hand entgegen.
»Nun, zurückgekommen? Wie geht es Ihnen, Crawley?« fragte er, und seine Lippen zuckten, als er dem Eindringling zuzulächeln suchte.
In Rawdons Gesicht lag etwas, was Becky veranlaßte, sich vor ihm niederzuwerfen.
»Ich bin unschuldig, Rawdon«, sagte sie, »bei Gott, ich bin unschuldig.« Sie klammerte sich an seinen Rock, an seine Hände; ihre eigenen waren mit Schlangen, Ringen und anderem Schmuck völlig bedeckt. »Ich bin unschuldig! Sagen Sie ihm, daß ich unschuldig bin«, sagte sie zu Lord Steyne.
Der Marquis glaubte, man habe ihm eine Falle gestellt, und war ebenso
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