Jahrmarkt der Eitelkeit
doch, er ... das heißt, man erzählte, du ...«
»Was, zum Teufel, meinst du eigentlich!« brüllte Rawdon. »Willst du etwa damit sagen, daß du jemals gehört hast, wie ein Kerl die Tugend meiner Frau bezweifelte, und du hast mir nichts davon erzählt, Mac?«
»Die Welt ist äußerst kritisch, alter Junge«, erwiderte der andere. »Was, zum Henker, hätte es genützt, wenn ich dir erzählt hätte, was ein paar Narren schwatzen?«
»Das war verdammt unkameradschaftlich, Mac«, sagte Rawdon, ganz überwältigt. Er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, und nun übermannte ihn die Erregung. Bei diesem Anblick konnte selbst der alte Haudegen sein Mitgefühl ihm gegenüber nicht verbergen.
»Kopf hoch, alter Junge«, sagte er. »Vornehm oder nicht – wir werden ihm doch eine Kugel in den Leib jagen, dem verdammten Kerl. Und was die Weiber angeht – die sind alle so.«
»Du weißt nicht, wie lieb ich diese eine hatte«, sagte Rawdon kaum vernehmlich. »Verdammt, ich bin ihr nachgelaufen wie ein Lakai. Ihretwegen habe ich alles aufgegeben. Ich bin ein Bettler, bloß weil ich sie unbedingt heiraten mußte. Beim Zeus, ich habe meine eigene Uhr versetzt, um ihre Launen zu befriedigen, und sie – sie hat die ganze Zeit in ihren eigenen Beutel gewirtschaftet, und für mich hat sie nicht einmal hundert Pfund gehabt, um mich aus dem Loch zu befreien.«
Hierauf erzählte er wutschnaubend und unzusammenhängend in einer Erregung, die sein Ratgeber bei ihm nicht kannte, die ganze Geschichte. Macmurdo fiel ihm ab und zu ins Wort:
»Trotz alledem kann sie doch unschuldig sein«, meinte er. »Sie sagt es jedenfalls. Steyne ist vorher hundertmal allein mit ihr im Hause gewesen.«
»Schon möglich«, entgegnete Rawdon traurig, »aber das sieht nicht sehr nach Unschuld aus.« Und damit zeigte er dem Hauptmann die Tausendpfundnote, die er in Beckys Brieftasche gefunden hatte. »Das hat er ihr gegeben, Mac, und sie hat sie vor mir versteckt; und mit diesem Geld im Haus hat sie mir ihre Hilfe versagt, als ich eingesperrt war.«
Der Hauptmann mußte zugeben, daß das Verheimlichen des Geldes sehr häßlich wirkte.
Während sie sich noch berieten, schickte Rawdon Hauptmann Macmurdos Diener in die Curzon Street mit dem Auftrag an die Dienstboten, ihm einen Beutel mit Kleidungsstücken zu schicken, welche der Oberst notwendig brauchte. Als der Diener fort war, verfaßten Rawdon und sein Sekundant mit großer Mühe und unter Zuhilfenahme von Johnsons Wörterbuch, das ihnen sehr gute Dienste leistete, einen Brief, den der Hauptmann an Lord Steyne abschicken sollte.
Hauptmann Macmurdo habe die Ehre, dem Marquis von Steyne in bezug auf Oberst Rawdon Crawley seine Aufwartung zu machen, und erlaube sich anzudeuten, daß er von dem Oberst bevollmächtigt sei, alle Vorkehrungen für die Begegnung zu treffen, auf die der Marquis zweifellos bestehen würde und die durch die Ereignisse des Morgens unvermeidlich geworden sei. Hauptmann Macmurdo bitte Lord Steyne höflich, einen Freund zu nennen, mit dem er (Hauptmann M.) sich ins Einvernehmen setzen könne, und er wünsche, daß das Treffen so bald wie möglich stattfinden möge.
In einer Nachschrift stellte der Hauptmann fest, daß sich in seinem Besitz eine Banknote von sehr hohem Wert befinde, die, wie Oberst Crawley wohl mit Recht vermute, Eigentum von Lord Steyne sei, und im Auftrag des Obersten wünsche er sehr, dem Eigentümer die Note zurückzugeben.
Als der Brief abgefaßt war, kehrte der Diener des Hauptmanns von seinem Botengang zum Hause von Oberst Crawley in der Curzon Street zurück, aber ohne Reisetasche und Beutel, die er doch hatte holen sollen, und mit sehr verdutztem Gesicht.
»Die wollen nichts rausgeben«, sagte der Mann. »Es ist ein ordentlicher Spektakel im Haus, und alles geht drunter und drüber. Der Hauswirt ist gekommen und hat alles beschlagnahmt. Die Bedienten saßen im Salon und tranken. Sie sagten – sie sagten, Sie wären mit dem Silber auf und davon, Oberst.« Nach einer Pause fuhr der Mann fort: »Einer von den Dienern ist schon weg, und Trotter, der Kammerdiener, der wirklich ziemlich laut und betrunken war, sagte, es soll ihm nichts aus dem Haus, bis er seinen Lohn hat.«
Dieser Bericht von der kleinen Revolution in Mayfair verwunderte die beiden Offiziere höchlich und brachte etwas Heiterkeit in ihre sonst so traurige Unterhaltung. Sie lachten über Rawdons Mißerfolg.
»Ich bin froh, daß der Kleine nicht zu Hause ist«, sagte Rawdon und kaute
Weitere Kostenlose Bücher