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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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in seinem Studierzimmer den armen Rawdon in unordentlichen Kleidern, mit blutunterlaufenen Augen und in das Gesicht hängenden Haaren erblickte, fuhr er zurück. Er glaubte, sein Bruder sei nicht nüchtern und habe die ganze Nacht bei irgendeiner Orgie verbracht.
    »Guter Gott, Rawdon«, rief er bestürzt. »Was führt dich in dieser Morgenstunde hierher? Warum bist du nicht zu Hause?«
    »Zu Hause!« entgegnete Rawdon mit wildem Lachen. »Keine Angst, Pitt. Ich bin nicht betrunken. Mach die Tür zu, ich muß mit dir sprechen.«
    Pitt schloß die Tür und trat an den Tisch. Er ließ sich in dem zweiten Armstuhl nieder, der dort für seinen Verwalter, seinen Beauftragten oder sonstige Besucher bereitstand, die mit dem Baronet vertrauliche Geschäfte abzuschließen hatten. Heftiger als je schnitt er an seinen Nägeln herum.
    »Pitt, es ist alles aus!« sagte der Oberst nach einer Pause. »Ich bin erledigt.«
    »Ich habe es immer gesagt, daß es noch dazu kommen würde«, rief der Baronet ärgerlich und trommelte mit seinen säuberlich geschnittenen Nägeln auf dem Tisch herum. »Ich habe dich tausendmal gewarnt. Ich kann dir nicht mehr helfen. Die Verwendung von jedem Shilling meines Geldes ist festgelegt. Selbst die hundert Pfund, die Jane dir gestern gebracht hat, waren meinem Rechtsanwalt für morgen früh versprochen, und daß sie mir jetzt fehlen, bringt mich in große Verlegenheit. Ich meine damit nicht, daß ich dir schließlich nicht doch helfen will. Aber wenn ich alle deine Gläubiger befriedigen sollte, so könnte ich ebensogut wünschen, die Staatsschuld bezahlen zu können. Es ist Wahnsinn, reiner Wahnsinn, daran auch nur zu denken. Du mußt zu einem Vergleich kommen, es ist schmerzlich für die Familie, aber alle tun es. George Kitely, Lord Raglands Sohn, hat vorige Woche vor Gericht gestanden und sich, glaube ich, mit seinen Gläubigern verglichen. Lord Ragland wollte keinen Shilling für ihn bezahlen, und ...«
    »Ich brauche kein Geld«, unterbrach ihn Rawdon. »Ich komme nicht meinetwegen. Kümmere dich nicht darum, was aus mir wird ...«
    »Worum handelt es sich denn?« fragte Pitt, etwas erleichtert.
    »Es geht um den Jungen«, antwortete Rawdon mit heiserer Stimme. »Ich möchte gern, daß du mir versprichst, dich seiner anzunehmen, wenn ich nicht mehr da bin. Deine liebe, gute Frau ist immer gut zu ihm gewesen, und er liebt sie mehr als seine ... Verdammt! Sieh mal, Pitt, du weißt, daß ich Miss Crawleys Geld haben sollte. Ich bin nicht wie ein jüngerer Bruder erzogen worden, und man hat mich stets zu Verschwendung und Müßiggang ermuntert. Ohne das hätte ich ein ganz anderer Mensch werden können. Ich habe meine Pflichten beim Regiment nicht schlecht erfüllt. Du weißt, wie ich in bezug auf das Geld ausgebootet worden bin und wer es dann erhalten hat.«
    »Nach den Opfern, die ich dir brachte, und der Art, wie ich dir beigestanden habe, halte ich diese Art von Vorwürfen für sinnlos«, sagte Sir Pitt. »Deine Heirat war dein Werk, nicht meins.«
    »Das ist jetzt vorbei«, sagte Rawdon. »Das ist jetzt vorbei!« Die Worte entrangen sich ihm mit einem Stöhnen, und sein Bruder erschrak.
    »Guter Gott, ist sie tot?« fragte Sir Pitt mit einem Ton wirklicher Unruhe und echten Mitleids.
    »Ich wünschte,
ich
wäre es«, entgegnete Rawdon. »Wenn es nicht um den kleinen Rawdon ginge, so hätte ich mir heute früh die Kehle durchgeschnitten – und dem verdammten Schurken dazu.«
    Sir Pitt erriet augenblicklich die Wahrheit und mutmaßte, daß Lord Steyne derjenige sei, dem Rawdon das Leben zu nehmen wünschte. Der Oberst erzählte seinem älteren Bruder kurz und in abgerissenen Sätzen die näheren Umstände.
    »Es war ein regelrechter Plan zwischen dem Schuft und ihr«, sagte er, »sie haben die Gerichtsdiener auf mich gehetzt und mich festnehmen lassen, als ich Steynes Haus verließ. Als ich sie im Brief um Geld bat, schrieb sie, sie liege krank im Bett, und vertröstete mich auf den nächsten Tag. Als ich dann nach Hause kam, fand ich sie, von Diamanten strahlend, allein mit dem Schurken.« Er beschrieb darauf kurz den persönlichen Streit mit Lord Steyne. »Wie die Sache nun liegt«, meinte er, »gibt es natürlich nur einen Ausweg.« Nach der Unterredung mit seinem Bruder wolle er weggehen und die nötigen Anordnungen für die unvermeidliche Begegnung treffen. »Und da es verhängnisvoll für mich ausgehen kann«, sagte Rawdon mit gebrochener Stimme, »und da der Junge keine Mutter hat, so

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