Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
Vom Netzwerk:
an den Nägeln. »Erinnerst du dich an ihn, in der Reitschule, Mac? Wie er sich auf dem ausschlagenden Pferd festhielt, weißt du noch?«
    »Ja, ganz genau, alter Junge«, sagte der gutmütige Hauptmann.
    Der kleine Rawdon saß gerade zu dieser Zeit unter fünfzig anderen Stiftsschülern in der Kapelle der Whitefriars-Schule; aber er dachte nicht an die Predigt, sondern daran, daß er nächsten Sonnabend nach Hause fahren dürfe und daß sein Vater ihm sicher Geld geben und ihn vielleicht auch mit ins Theater nehmen würde.
    »Er ist wirklich ein Prachtkerl, der Junge«, fuhr der Vater fort, der in Gedanken noch immer bei seinem Sohn war. »Hör mal, Mac, wenn es schiefgehen sollte – – wenn ich nicht zurückkomme – möchte ich dich bitten – zu ihm zu gehen, weißt du, und ihm zu sagen, daß ich ihn sehr liebgehabt habe und so weiter. Und – zum Henker – alter Junge, gib ihm diese goldenen Manschettenknöpfe, es ist alles, was ich habe.«
    Er bedeckte das Gesicht mit den schwarzen Händen, und als die Tränen darüberrollten, zogen sie weiße Furchen. Mr. Macmurdo sah sich ebenfalls genötigt, seine seidene Nachtmütze abzunehmen und sich damit über die Augen zu fahren.
    »Geh hinunter und bestelle ein Frühstück«, befahl er seinem Bedienten mit lauter, munterer Stimme. »Was möchtest du, Crawley? Sagen wir, geröstete Nieren und einen Hering! Und, Clay, suche etwas zum Anziehen für den Oberst heraus. Wir sind immer ungefähr gleich groß gewesen, Rawdon, mein Junge, und keiner von uns beiden ist mehr so leicht zu Pferde wie damals, als wir in das Korps kamen.« Mit diesen Worten kehrte sich Macmurdo zur Wand, damit sich der Oberst umkleiden könne. Er setzte seine Lektüre in »Bell's Life« fort, bis sein Freund fertig war und er selbst sich umziehen konnte.
    Da der Hauptmann einem Lord begegnen sollte, machte er besonders sorgfältig Toilette, wichste seinen Schnurrbart, daß er glänzte, und legte eine enge Krawatte und eine hübsche Weste an. In der Messe, wohin ihm Crawley schon vorangegangen war, machten ihm alle jungen Offiziere wegen seines Aussehens beim Frühstück Komplimente und fragten, ob er an diesem Sonntag heiraten wolle.

55. Kapitel
In dem dasselbe Thema fortgesetzt wird
    Becky erholte sich von der dumpfen Verwirrung, in die die Ereignisse des vorigen Abends ihren sonst so unerschrockenen Geist gestürzt hatten, erst, als die Glocken der Kapelle in der Curzon Street zum Nachmittagsgottesdienst läuteten. Sie erhob sich von ihrem Bett und läutete ebenfalls – nach dem französischen Kammermädchen, das sie vor einigen Stunden verlassen hatte.
    Mrs. Rawdon Crawley klingelte viele Male, jedoch umsonst, und obgleich sie zuletzt mit solcher Gewalt an der Klingelschnur riß, daß sie sie in der Hand behielt, zeigte sich Mademoiselle Fifine nicht – auch nicht, als ihre Herrin im größten Zorn, die Klingelschnur in der Hand, mit wirrem Haar auf den Treppenabsatz herauskam und wiederholt nach ihrer Dienerin schrie.
    Diese hatte nämlich das Haus schon vor mehreren Stunden verlassen und sich, wie man so sagt, französisch empfohlen. Nachdem Mademoiselle die Schmucksachen im Salon aufgelesen hatte, war sie in ihr eigenes Zimmer hinaufgestiegen und hatte ihre Koffer gepackt und verschnürt. Dann war sie hinausgetrippelt, hatte eine Droschke gerufen und ihr Gepäck eigenhändig hinuntergebracht, ohne jemanden von den anderen Dienstboten um Hilfe zu bitten. Die hätten sie ihr wahrscheinlich auch versagt, denn man haßte sie von Herzen. Ohne Abschiedsgruß hatte sie dann die Curzon Street verlassen.
    Ihrer Ansicht nach war das Spiel in diesem kleinen Haushalt aus. Fifine fuhr in einer Droschke ab, wie das bekanntlich bedeutendere Persönlichkeiten ihrer Nation unter ähnlichen Umständen getan haben. Aber weitsichtiger oder glücklicher als diese, sicherte sie sich nicht nur ihr Eigentum, sondern auch einen Teil von dem ihrer Herrin (wenn man bei dieser Dame überhaupt davon sprechen konnte, daß ihr etwas gehörte). Sie nahm nicht nur die obenerwähnten Schmucksachen und ein paar Kleider mit, die ihr schon lange in die Augen gestochen hatten, sondern auch vier reichvergoldete Rokokoleuchter, sechs vergoldete Alben, Taschenbücher und andere illustrierte Werke; eine emaillierte Schnupftabakdose, die einst der Madame Dubarry 1 gehört hatte, und das niedlichste kleine Schreibzeug mit einem Tintenlöscher aus Perlmutt, das Becky immer benutzt hatte, wenn sie ihre bezaubernden rosa Briefchen

Weitere Kostenlose Bücher