Jahrmarkt der Eitelkeit
muß ich ihn bei dir und Jane lassen, Pitt. Es wäre mir ein großer Trost, wenn du mir versprechen wolltest, sein Freund zu sein.«
Der ältere Bruder war sehr bewegt und schüttelte Rawdon die Hand mit einer Herzlichkeit, die man bei ihm nur selten bemerkte.
Rawdon fuhr sich mit der Hand über die buschigen Augenbrauen.
»Danke, Bruder«, sagte er, »ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann.«
»Ich verspreche es, auf meine Ehre«, erwiderte der Baronet. So war mit wenigen Worten der Handel zwischen ihnen abgeschlossen.
Rawdon zog nun die kleine Brieftasche hervor, die er in Beckys Schreibpult entdeckt hatte, und entnahm ihr ein Bündel Banknoten.
»Hier sind sechshundert«, sagte er. »Du hast nicht gewußt, daß ich so reich bin. Ich möchte, daß du das Geld der Briggs gibst, die es uns geliehen hat. Sie ist so freundlich zu dem Jungen gewesen, und ich habe mich immer geschämt, daß ich das Geld von der armen alten Frau genommen habe; und hier ist noch etwas – ich habe nur ein paar Pfund zurückbehalten –, das kann Rebekka bekommen, damit sie für den Anfang etwas hat.«
Während er sprach, ergriff er die übrigen Banknoten, um sie seinem Bruder zu geben, aber seine Hände zitterten, und er war so erregt, daß ihm die Brieftasche entglitt und die Tausendpfundnote, der letzte Gewinn der unglücklichen Rebekka, herausfiel.
Pitt bückte sich und hob sie auf, erstaunt über solchen Reichtum.
»Die nicht«, sagte Rawdon. »Ich hoffe, daß ich dem Mann, dem sie gehört, eine Kugel in den Leib jagen kann.« Er hatte sich gedacht, es wäre eine feine Rache, eine Kugel in die Banknote zu wickeln und Steyne damit zu töten.
Nach diesem Gespräch schüttelten sich die Brüder noch einmal die Hände und schieden.
Lady Jane hatte von der Anwesenheit des Obersten vernommen und erwartete ihren Mann im anstoßenden Speisezimmer. Ihr weiblicher Instinkt ließ sie nichts Gutes ahnen. Die Tür stand zufällig offen, und als die beiden Brüder das Studierzimmer verließen, trat sie natürlich aus dem Speisezimmer heraus. Sie streckte Rawdon die Hand entgegen und sagte, sie freue sich, daß er zum Frühstück gekommen sei, obwohl sie aus seinem verstörten, unrasierten Gesicht und dem finsteren Blick ihres Mannes ersah, daß beiden wenig am Frühstück gelegen war. Rawdon murmelte ein paar Entschuldigungen wegen einer Verabredung und preßte die furchtsame kleine Hand, die ihm seine Schwägerin hinhielt. Ihr fragender Blick konnte nichts als Unheil in seinem Gesicht lesen, aber er ging, ohne ein Wort zu sagen, weg. Sir Pitt gab ihr ebenfalls keine Erklärung. Die Kinder kamen, um ihn zu begrüßen, und er küßte sie in seiner gewohnten kalten Art.
Die Mutter hielt beide eng an sich gepreßt und nahm sie bei der Hand, als sie zum Gebet niederknieten, das Sir Pitt ihnen und den Dienstboten vorlas, die im Sonntagsstaat auf den Stühlen neben der zischenden Teemaschine saßen. Infolge der erwähnten Verzögerung fand das Frühstück an jenem Tag so spät statt, daß die Kirchenglocken schon zu läuten anfingen, als sie noch aßen. Lady Jane erklärte, es gehe ihr zu schlecht, um in die Kirche gehen zu können. Ihre Gedanken waren schon während der Familienandacht in weite Ferne gewandert.
Mittlerweile war Rawdon Crawley aus der Great Gaunt Street geeilt. Er klopfte an das große bronzene Medusenhaupt, das am Portal vom Gaunt-Haus steht, und der purpurne Silen in rotsilberner Weste erschien, der im Palast die Rolle des Portiers spielt. Der Mann war über das unordentliche Aussehen des Obersten ebenfalls erschrocken und vertrat ihm den Weg, als ob er befürchtete, daß der andere ihn erzwingen wollte. Oberst Crawley zog jedoch nur eine Karte hervor und legte dem Diener ans Herz, sie Lord Steyne zu bringen, die darauf geschriebene Adresse zu beachten und zu sagen, daß Oberst Crawley nach ein Uhr den ganzen Tag im Regent-Klub in der St. James' Street anzutreffen sei – also nicht zu Hause. Der dicke Mann mit dem roten Gesicht blickte dem Davonschreitenden erstaunt nach, ebenso die Leute in Sonntagskleidern, die so früh schon auf der Straße waren, die Waisenknaben mit glänzenden Gesichtern, der Gemüsehändler, der an seiner Tür lehnte, und der Wirt, der im Sonnenschein seine Fensterläden schloß, da der Gottesdienst begann. Am Droschkenstand machten die Leute sich über sein Aussehen lustig, als er einen Wagen nahm und dem Kutscher zurief, er solle ihn zu den Knightsbridge-Kasernen fahren.
Alle Glocken
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