Jahrmarkt der Eitelkeit
oder nicht? Wir alle wissen, wie barmherzig die Welt ist und wie das Urteil auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit ausfällt, sobald ein Zweifel besteht. Einige sagten, sie sei Lord Steyne nach Neapel gefolgt, während andere behaupteten, der Lord habe jene Stadt verlassen und sei nach Palermo geflohen, als er von Beckys Ankunft gehört habe. Dritte wiederum meinten, sie wohne in Bierstadt und sei Hofdame bei der Königin von Bulgarien geworden. Ein paar berichteten, sie halte sich in Boulogne auf, und wieder andere, sie lebe in einer Pension in Cheltenham.
Rawdon setzte ihr eine leidliche Jahresrente aus; und wir können sicher sein, daß sie es verstand, mit wenig Geld weit zu kommen, wie man so sagt. Er hätte bei seiner Abreise von England seine Schulden bezahlt, wäre es ihm nur gelungen, eine Versicherungsgesellschaft ausfindig zu machen, mit der er eine Lebensversicherung hätte abschließen können. Das Klima von Coventry Island war jedoch so schlecht, daß er auf sein Jahresgehalt hin kein Geld borgen konnte. Er schickte jedoch seinem Bruder pünktlich Geld und schrieb seinem kleinen Jungen regelmäßig mit jeder Post. Macmurdo versorgte er mit Zigarren, und Lady Jane sandte er Mengen von Muscheln, Cayennepfeffer, scharfem Eingemachten, Guajavagelee und anderen Kolonialprodukten.
Seinem Bruder schickte er die »Sumpfstadt Gazette«, in der der neue Gouverneur mit ungeheurer Begeisterung gefeiert wurde; während der »Sumpfstadtwächter«, dessen Frau man nicht in den Gouverneurspalast geladen hatte, erklärte, Seine Exzellenz sei ein Tyrann, im Vergleich zu dem Nero 3 ein aufgeklärter Philantrop sei. Der kleine Rawdon griff gern nach den Zeitungen und las, was von Seiner Exzellenz berichtet wurde.
Die Mutter machte keine Anstalten, das Kind zu sehen. An den Sonntagen und während der Ferien fuhr der Junge zu seiner Tante; bald kannte er jedes Vogelnest in Queen's Crawley und ritt mit Sir Huddlestons Hunden aus, die er bei seinem ersten unvergeßlichen Besuch in Hampshire so sehr bewundert hatte.
56. Kapitel
Aus Georgy wird ein Gentleman gemacht
Georgy Osborne hatte sich jetzt im Hause seines Großvaters am Russell Square gut eingelebt. Er bewohnte seines Vaters Zimmer und war rechtmäßiger Erbe aller Herrlichkeiten darin. Sein hübsches Aussehen, sein höfliches Betragen und seine Eleganz gewannen ihm das Herz des Großvaters. Mr. Osborne war auf ihn so stolz wie nur je auf den älteren George.
Das Kind wurde viel mehr verwöhnt und nachsichtiger behandelt als sein Vater. Osbornes Geschäfte waren in den letzten Jahren sehr gediehen, sein Reichtum und sein Einfluß in der City hatten zugenommen. In früheren Zeiten war er schon froh gewesen, den älteren George in eine gute Privatschule schicken zu können, und das Offizierspatent seines Sohnes hatte für ihn eine Quelle nicht geringen Stolzes bedeutet. In bezug auf den kleinen George und dessen künftige Aussichten hatte der alte Herr viel hochtrabendere Pläne. Seine ständige Redeweise war, er wolle einen Gentleman aus dem kleinen Kerl machen. Im Geiste sah er ihn schon als Studenten, Parlamentsmitglied oder sogar als Baronet. Der alte Mann dachte, er könne zufrieden sterben, wenn er seinen Enkel erst auf dem Wege zu solchen Ehren sähe. Für seine Erziehung wollte er nur einen erstklassig ausgebildeten Lehrer haben – keinen von diesen Scharlatanen und Pseudogelehrten, nein, nein. Noch vor ein paar Jahren hatte er wütend gegen alle Pfaffen, Schulfüchse und Leute dieses Schlages gewettert und erklärt, sie seien ein Pack von Gaunern und Pfuschern, die ihren Lebensunterhalt nur verdienen könnten, indem sie Latein und Griechisch einpaukten. Dabei seien sie noch hochmütige Hunde, die sich anmaßten, auf britische Kaufleute und Gentlemen herabzublicken, die doch ein paar Dutzend von ihnen aufkaufen konnten. Jetzt dagegen beklagte er sich in feierlicher Weise, daß seine eigene Erziehung sehr vernachlässigt worden sei, und erklärte dem kleinen George wiederholt in pompösen Worten, wie wichtig und vortrefflich klassische Bildung sei.
Wenn sie sich beim Essen trafen, fragte der Großvater den Knaben, was er tagsüber gelesen habe, und zeigte großes Interesse an dem, was der Junge von seinen Studien berichtete. Er gab sich den Anschein, als verstehe er alles, was der kleine George sagte, und machte dabei hundert Fehler und zeigte so manches Mal seine Unwissenheit. Das erhöhte natürlich nicht den Respekt des Knaben vor dem Älteren. Sein flinker
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