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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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als es mein Freund Oberst Crawley zu erwarten scheint.«
    »Hm«, sagte Hauptmann Macmurdo. Zum Henker mit diesen Zivilisten, dachte er im stillen, sie wollen immer beilegen und reden bloß. Mr. Wenham nahm einen Stuhl, den man ihm nicht angeboten hatte, zog eine Zeitung aus der Tasche und begann erneut:
    »Sie haben hoffentlich diese angenehme Nachricht in den heutigen Zeitungen gelesen, Oberst. Die Regierung hat sich einen sehr wertvollen Diener gesichert und Sie sich, da Sie ja wahrscheinlich das Amt annehmen, eine vortreffliche Stellung. Dreitausend pro Jahr, herrliches Klima, ausgezeichnete Gouverneursgebäude, in der Kolonie alles so, wie Sie es haben wollen, und eine sichere Beförderung. Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen. Ich nehme an, Sie wissen, meine Herren, wem mein Freund dieses großzügige Angebot verdankt.«
    »Zum Henker, wenn ich es weiß«, sagte der Hauptmann, während der Oberst tief errötete.
    »Einem der großmütigsten und gütigsten Männer in der Welt, einem der größten ... meinem ausgezeichneten Freund, dem Marquis von Steyne.«
    »Er mag zum Teufel gehen, ehe ich seine Stelle annehme«, grollte Rawdon.
    »Sie sind gegen meinen edlen Freund erzürnt«, fuhr Mr. Wenham ruhig fort. »Erklären Sie mir nur im Namen des gesunden Menschenverstandes und der Gerechtigkeit, warum?«
    »Warum?!« rief Rawdon erstaunt.
    »Warum?! Verdammt noch mal«, fluchte der Hauptmann und stieß mit dem Stock auf den Boden.
    »Ja, wirklich, verdammt noch mal«, meinte Mr. Wenham mit dem gefälligsten Lächeln. »Betrachten Sie die Sache einmal als Mann von Welt, als ehrlicher Mensch, und fragen Sie sich, ob Sie nicht unrecht haben. Sie kehren von einer Reise zurück und finden – was? – Lord Steyne, in Ihrem Haus in der Curzon Street mit Mrs. Crawley beim Souper. Ist das so merkwürdig oder neu? Ist er nicht schon hundertmal vorher unter denselben Umständen dort gewesen? Auf meine Ehre und mein Wort als Gentleman« (hier legte Mr. Wenham mit parlamentarischer Miene die Hand auf die Weste) »erkläre ich, daß ich Ihren Verdacht für ungeheuerlich und gänzlich unbegründet halte und daß Sie damit einen ehrenwerten Mann beleidigen, der Ihnen sein Wohlwollen auf tausendfache Art bewiesen hat – Ihnen und einer makellosen und unschuldigen Dame.«
    »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß – daß Crawley sich geirrt hat«, warf Mr. Macmurdo ein.
    »Ich halte Mrs. Crawley für ebenso unschuldig wie meine eigene Frau, Mrs. Wenham«, erwiderte Mr. Wenham mit großem Nachdruck. »Ich glaube, mein Freund hier wird von teuflischer Eifersucht veranlaßt, einen Schlag nicht nur gegen einen kränklichen alten Mann von hohem Rang, seinen steten Freund und Wohltäter, zu führen, sondern auch gegen seine Frau, seine kostbare Ehre, den künftigen Ruf seines Sohnes und seine eigenen Lebensaussichten. – Ich will Ihnen sagen, was geschehen ist«, fuhr Mr. Wenham feierlich fort. »Lord Steyne ließ mich heute morgen zu sich rufen, und ich fand ihn in einem bemitleidenswerten Zustand vor. Ich brauche Ihnen, Oberst Crawley, wohl kaum zu erklären, wie es einem kränklichen alten Mann nach einer persönlichen Auseinandersetzung mit einem Menschen von Ihrer körperlichen Konstitution geht. Ich sage es Ihnen ins Gesicht, Oberst Crawley. Sie haben sehr roh von Ihrer Kraft Gebrauch gemacht. Nicht nur der Körper meines edlen, vortrefflichen Freundes war verwundet, nein, auch sein Herz blutete. Ein Mann, dem er seine Zuneigung geschenkt und den er mit Wohltaten überhäuft hat, behandelt ihn schimpflich. Was war denn diese Ernennung, die die Zeitungen von heute veröffentlichten, anderes als ein Beweis seiner Güte gegen Sie? Als ich den Lord heute morgen sah, fand ich ihn in einem wirklich bemitleidenswerten Zustand, und er war ebenso begierig wie Sie, die erlittene Schmach mit Blut zu sühnen. Sie wissen wahrscheinlich, daß er seine Proben schon bestanden hat, Oberst Crawley.«
    »Er hat genug Mut«, pflichtete der Oberst bei. »Das bezweifelt niemand.«
    »Zuallererst befahl er mir, eine Forderung zu schreiben und sie Oberst Crawley zu überbringen. ›Einer von uns beiden‹, sagte er, ›darf die Schande von gestern abend nicht überleben.‹«
    Crawley nickte. »Jetzt kommen Sie endlich zur Sache, Wenham«, meinte er.
    »Ich versuchte alles, um Lord Steyne zu beruhigen. ›Guter Gott‹, sagte ich. ›Wie leid tut es mir nun, daß Mrs. Wenham und ich Mrs. Crawleys Einladung zum Abendessen nicht gefolgt

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