Jahrmarkt der Eitelkeit
Gesellschaften und fand sie köstlich, solange sie Georgy neben sich hatte. In jedem Wetter wanderte sie von Brompton herüber, und sie umarmte Mrs. Veal unter Tränen des Dankes für den herrlichen Abend, den sie verbracht hatte. Wenn sich dann die Gesellschaft zurückgezogen hatte und Georgy mit seinem Begleiter, Mr. Rawson, gegangen war, zog sich die arme Mrs. Osborne den Mantel an, legte den Schal um und begab sich nach Hause. In der Gelehrsamkeit, die sich George unter diesem wortreichen Lehrer der hundert Wissenschaften aneignete, machte er große Fortschritte, zumindest nach den wöchentlichen Zensuren zu urteilen, die er seinem Großvater mit nach Hause brachte. Zwanzig oder mehr erstrebenswerte Wissenszweige waren auf einer Tabelle zusammengestellt, und der Professor vermerkte darauf die Fortschritte des Schülers in jedem Fach. Im Griechischen war Georgy aristos 7 , im Lateinischen optimus 8 , im Französischen très bien 9 und so weiter. Am Ende des Jahres erhielten dann alle für alles Preise. Selbst Mr. Swartz, der wollhaarige junge Herr und Halbbruder der ehrenwerten Mrs. McMull, und Mr. Bluck, der vernachlässigte junge Schüler von dreiundzwanzig aus den Ackerbaugegenden, und der bereits erwähnte faule junge Taugenichts, Master Todd, erhielten billige Heftchen, in die »Athene« gedruckt war und in denen eine pompöse lateinische Widmung des Professors an seine jungen Freunde prangte.
Die Familie von Master Todd war ein Anhängsel des Hauses Osborne. Der alte Herr hatte Todd vom Angestellten zum jüngeren Teilhaber seiner Firma befördert.
Mr. Osborne war Pate des jungen Master Todd (der im späteren Leben auf seine Karte »Mr. Osborne-Todd« schrieb und ein wahrer Weltmann wurde), während Miss Osborne Miss Maria Todd über die Taufe gehalten hatte und ihrem Schützling jährlich ein Gebetbuch, eine Sammlung von Traktaten, einen Band mit geistlichen Liedern oder ein ähnliches Andenken ihrer Güte geschenkt hatte. Miss Osborne nahm zuweilen die Todds zu einer Spazierfahrt in ihrem Wagen mit, und wenn sie krank waren, brachte ihr Lakai in weiten Kniehosen und Weste aus Plüsch Gelee und Delikatessen vom Russell Square zur Great Coram Street.
Die Coram Street zitterte und blickte zum Russell Square auf, und Mrs. Todd, die sehr geschickt war im Ausschneiden von Papierschmuck für Hammelkeulen und die es verstand, aus Rüben und Möhren sehr naturgetreu Blumen und Enten zu fertigen, ging oft zum »Square«, wie sie es nannten, und half bei der Vorbereitung von großen Diners, ohne auch nur den leisesten Gedanken, ebenfalls an der Tafel teilzunehmen. Wenn in der letzten Minute ein Gast noch absagte, dann wurde Todd zum Essen eingeladen. Mrs. Todd und Maria kamen dann am Abend herüber, schlüpften nach leisem Klopfen ins Haus und saßen schon im Salon, wenn Miss Osborne und die Damen ihres Gefolges in dem Zimmer erschienen. Sie waren bereit, Duette und Lieder abzufeuern, bis die Herren nachkommen würden.
Arme Maria Todd, arme junge Dame! Wie lange sie doch diese Duette und Sonaten in der »Street« üben und klimpern mußte, ehe sie in der Öffentlichkeit am »Square« vorgetragen werden konnten.
Es schien also vom Schicksal bestimmt zu sein, daß George alle, mit denen er in Berührung kam, beherrschen sollte und daß Freunde, Verwandte und Dienstboten die Knie vor dem kleinen Burschen beugen mußten. Zugegebenermaßen fand er sich sehr bereitwillig in diese Einrichtung der Dinge. Das tun ja die meisten Menschen. Georgy spielte gern die Herrenrolle und besaß wohl auch eine natürliche Anlage dafür.
Am Russell Square fürchteten sich alle vor Mr. Osborne, und Mr. Osborne fürchtete sich vor Georgy. Die elegante Art des Knaben und sein vorschnelles Geschwätz über Bücher und Gelehrsamkeit, die Ähnlichkeit mit seinem Vater (der unversöhnt drüben in Brüssel lag), schüchterten den alten Herrn ein und gaben dem Knaben die Oberhand. Der Alte fuhr oft zusammen, wenn der kleine Bursche unbewußt einen von früher bekannten Zug zeigte oder einen ererbten Ton anschlug. Es schien ihm dann, daß Georges Vater wieder vor ihm stehe. Die Härte gegen den älteren George versuchte er durch Nachsicht gegen den Enkel auszugleichen. Die Leute waren über diese Sanftmut erstaunt. Gegenüber seiner Tochter brummte und fluchte er zwar wie gewöhnlich, aber er lächelte, wenn George zu spät zum Frühstück herunterkam.
Miss Osborne, Georges Tante, war eine unglückliche alte Jungfer, gebrochen von mehr als
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