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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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aber bedenke auch, wie geheimnisvoll und oft unberechenbar sie ist, die Lebenslotterie, die diesem Purpur und köstliche Leinwand gibt und dem anderen Lumpen als Kleider und Hunde zur Tröstung schickt.
    So muß ich gestehen, daß Amelia ohne viel Kummer – im Gegenteil, mit etwas wie Dankbarkeit – die Krumen auflas, die ihr Schwiegervater hin und wieder fallen ließ, und damit ihren Vater ernährte. Sobald sie bemerkte, daß es ihre Pflicht war, opferte sich diese junge Frau ganz selbstverständlich (meine Damen, sie ist erst dreißig, und wir nennen sie in diesem Alter noch eine junge Frau), opferte sie sich, wie gesagt, und legte alles, was sie hatte, dem geliebten Gegenstand zu Füßen. Wieviel lange Nächte hindurch hatte sie sich ohne Dank die Finger für den kleinen George wund gearbeitet, als er noch bei ihr war! Wieviel Leid, Verachtung, Entbehrungen, Armut hatte sie für Vater und Mutter ertragen! Und bei all dieser einsamen Entsagung und dieser unbeachteten Hingabe schätzte sie sich nicht höher, als die Welt sie schätzte. Wahrscheinlich dachte sie in ihrem Herzen, sie sei ein armseliges, erbärmliches kleines Geschöpf, das mehr Glück hatte, als es verdiente. Oh, ihr armen Frauen! Ihr armen geheimen Märtyrerinnen und Opfer, deren Leben eine Tortur ist, die ihr in eurem Schlafzimmer auf der Folter ausgestreckt liegt und täglich im Salon den Kopf auf den Block legt. Jeder Mann, der eure Schmerzen beobachtet oder in den dunklen Ort späht, wo eure Tortur vollzogen wird, muß euch bemitleiden – und – Gott danken, daß er einen Bart hat. Ich erinnere mich, vor vielen Jahren in dem Irrenhaus in Bicêtre bei Paris einen armen, von Kerker und Krankheit gebeugten Schelm gesehen zu haben, dem einer von uns für ein paar Pfennige Schnupftabak in einer Papiertüte gab. Diese Freundlichkeit war zuviel für das arme epileptische Geschöpf. Er weinte vor Freude und Dankbarkeit. Wenn irgend jemand dir oder mir jährlich tausend Pfund geben oder das Leben retten würde – wir könnten nicht so gerührt sein. Genauso ist es, wenn man eine Frau gehörig tyrannisiert hat. Für ein paar Pfennige Freundlichkeit werden dann ebenso auf sie wirken und ihr Tränen in die Augen locken, als ob du ein wohltätiger Engel wärst.
    Gaben dieser Art waren die besten, die das Glück der armen kleinen Amelia gewährte. Ihr Leben, gar nicht unglücklich begonnen, war dazu herabgesunken – zu einer gemeinen Kerkerhaft und einer langen, erniedrigenden Sklaverei. Der kleine George besuchte sie zuweilen in ihrer Gefangenschaft und brachte ihr einen Schimmer schwachen Trostes. Der Russell Square war die Grenze ihres Gefängnisses. Sie konnte gelegentlich dorthin gehen, kam aber stets des Abends wieder in ihre Zelle zurück: um darin zu schlafen, um freudlose Pflichten zu erfüllen, um an danklosen, trüben Krankenbetten zu wachen und um die Quälereien und die Herrschsucht zänkischer, enttäuschter alter Leute zu ertragen.
    Wie viele Tausende von Menschen gibt es – meistens Frauen –, die zu dieser langen Sklaverei verurteilt sind, Krankenwärterinnen ohne Lohn – barmherzige Schwestern, wenn man so will, ohne die Romantik des Aufopferungsgefühls. Sie mühen sich ab, fasten, wachen, leiden, ohne Mitleid zu finden, und welken erniedrigt dahin. Es gefällt der schrecklichen verborgenen Weisheit, die die Geschicke der Menschen lenkt, die Sanften, Guten und Weisen zu demütigen und niederzuwerfen und die Selbstsüchtigen, Törichten und Bösen zu erhöhen. Oh, mein Bruder! Sei demütig in deinem Glück! Sei sanft gegen die, welche weniger glücklich, aber doch sehr wahrscheinlich verdienstvoller sind. Überlege dir, welches Recht du hast, jemanden zu verachten, du, dessen Tugend nur auf dem Mangel an Versuchung beruht, dessen Erfolge zufällig sein können, dessen Stellung vielleicht nur dem Glück eines Ahnen zu verdanken ist, dessen Gedeihen höchstwahrscheinlich eine Satire ist!

    Man begrub Amelias Mutter auf dem Kirchhof in Brompton, an einem genauso dunklen regnerischen Tag wie dem, an dem Amelia dorthin gekommen war, um mit George getraut zu werden. Ihr kleiner Knabe saß in prächtigen neuen Trauerkleidern neben ihr. Sie erinnerte sich der alten Schließerin und des Küsters. Während der Pfarrer die Predigt hielt, schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit. Wenn sie nicht Georges Hand gehalten hätte, wie gern hätte sie dann den Platz getauscht mit ... Doch wie gewöhnlich schämte sie sich bald ihrer

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