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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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wurde.
    George war, wie einige Dutzend anderer Schüler, nur Tagesschüler. Er kam morgens unter der Obhut seines Freundes Mr. Rawson, und wenn nachmittags schönes Wetter war, ritt er, gefolgt von dem Reitknecht, auf seinem Pony davon. Man erzählte in der Schule, daß sein Großvater steinreich sei. Ehrwürden Mr. Veal machte Georgy ständig Komplimente deshalb und weissagte ihm, daß er für eine hohe Stellung bestimmt sei, daß er sich durch Fleiß und Gelehrigkeit in der Jugend auf die erhabenen Pflichten, die ihn im reifen Alter erwarteten, vorbereiten müsse. Der Gehorsam des Kindes sei die beste Vorbereitung für die Befehlsgewalt des Mannes, und er bitte George daher, keine Süßigkeiten mit in die Schule zu bringen und damit die Gesundheit der beiden Bangles zu ruinieren, die an der eleganten Tafel von Mrs. Veal alles, was sie brauchten, im Überfluß bekämen.
    Was den Unterricht betraf, so war das »Curriculum« 3 , wie es Mr. Veal gern nannte, sehr umfangreich, und die jungen Herren in der Hart Street konnten von jeder bekannten Wissenschaft etwas lernen. Ehrwürden Mr. Veal besaß ein Orrery 4 , eine Elektrisiermaschine, eine Drehbank, ein Theater (im Waschhaus), einen chemischen Apparat und, wie er es nannte, eine auserlesene Bibliothek aller Werke der besten Schriftsteller alter und moderner Zeiten und Sprachen. Er führte die Knaben in das Britische Museum und ließ sich dort des längeren und breiteren über die dort gezeigten Altertümer und Exemplare aus der Naturgeschichte aus. Wenn er sprach, sammelte sich stets ein Zuhörerkreis um ihn, und ganz Bloomsbury bewunderte ihn als einen außerordentlich gelehrten Mann. Wenn er sprach (und das tat er fast immer), bemühte er sich, die schönsten und längsten Wörter zu benutzen, die der Wortschatz ihm bot, da er mit Recht der Ansicht war, es sei ebenso billig, einen hübschen langen und wohlklingenden Ausdruck zu verwenden wie einen kurzen, knappen.
    So sagte er etwa zu George in der Schule: »Ich bemerkte bei meiner Heimkehr von einer genußreichen wissenschaftlichen Abendkonversation mit meinem vortrefflichen Freunde Doktor Bulders, einem echten Archäologen, meine Herren – einem echten Archäologen –, daß die Fenster im fast fürstlichen Hause Ihres verehrungswürdigen Großvaters am Russell Square illuminiert waren, wie aus Anlaß einer Festlichkeit daselbst. Bin ich richtig in der Annahme, daß Mr. Osborne gestern abend eine Gesellschaft distinguierter Geister an seiner glänzenden Tafel bewirtete?«
    Der kleine George, der viel Humor besaß und Mr. Veal mit viel Witz und Geschicklichkeit ins Gesicht hinein nachzuahmen pflegte, erwiderte, Mr. Veal sei vollkommen korrekt in seiner Mutmaßung.
    »Dann will ich jede Wette eingehen, daß die Freunde, welche die Ehre hatten, Mr. Osbornes Gastfreundschaft zu genießen, keinen Grund gefunden haben werden, sich über ihr Mahl zu beklagen. Ich selbst bin zu verschiedenen Malen mit einer Einladung begünstigt worden. (Beiläufig erwähnt, Master Osborne, Sie sind heute früh etwas zu spät gekommen und sind darin schon mehr als einmal pflichtvergessen gewesen.) Ich sage, ich selbst, meine Herren, ein so bescheidenes Individuum ich auch sein mag, so bin ich doch für würdig erachtet worden, Mr. Osbornes elegante Gastfreundschaft zu genießen. Und obgleich ich mit den Großen und Edlen dieser Welt gespeist habe – denn ich wage auch meinen vortrefflichen Freund und Gönner, den sehr ehrenwerten George Graf Bareacres, dieser Zahl zuzurechnen –, so versichere ich Sie, daß der Tisch des britischen Kaufmanns im Überfluß besetzt und der Empfang ebenso ergötzlich und edel war, wie er nur sein konnte. Mr. Bluck, wenn Sie belieben, so wollen wir an der Stelle im Eutropius beginnen, an der wir durch das Zuspätkommen Master Osbornes unterbrochen wurden.«
    Diesem bedeutenden Mann wurde Georges Erziehung auf einige Zeit anvertraut. Amelia wurde verwirrt von seinen Sätzen, sie hielt ihn jedoch für ein Wunder an Gelehrsamkeit. Die arme Witwe hatte ihre eigenen Gründe, sich mit Mrs. Veal zu befreunden. Es freute sie, im Hause zu sein, wenn George zur Schule kam; es freute sie ebenfalls, zu Mrs. Veals conversazioni 5 geladen zu werden, die einmal monatlich stattfanden (man erfuhr das durch rosa Karten, auf denen
ATHNH
6 gedruckt war), wo der Professor auch seine Schüler und ihre Freunde mit dünnem Tee und wissenschaftlicher Unterhaltung bewirtete. Die arme kleine Amelia versäumte keine dieser

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