Jahrmarkt der Eitelkeit
die mit einer Statue der Athene geschmückt war, und zwei Herren stiegen aus. Die jungen Bangles stürzten ans Fenster, in der unbestimmten Annahme, ihr Vater sei aus Bombay gekommen. Der große unbeholfene Schüler von dreiundzwanzig, der insgeheim über einer Stelle des Eutropius weinte, preßte seine vernachlässigte Nase an die Fensterscheiben und sah zu dem Wagen hinab, als der Lakai vom Bock sprang und die Insassen aussteigen ließ.
»Es ist ein Dicker und ein Dünner«, sagte Mr. Bluck, als donnernd an die Tür geklopft wurde.
Alle waren interessiert, angefangen von dem Hauskaplan selbst, der die Väter künftiger Schüler zu sehen hoffte, bis hinab zu Master Georgy, der froh war, einen Vorwand zu haben, das Buch niederlegen zu dürfen.
Der Junge in der schäbigen Livree mit den blinden Kupferknöpfen, der sich stets in den zu engen Rock zwängte, wenn er öffnen sollte, kam in das Studierzimmer und sagte: »Zwei Herren wünschen Master Osborne zu sprechen.« Der Professor hatte an jenem Morgen einen geringfügigen Wortwechsel mit dem jungen Herrn gehabt, und zwar waren sie verschiedener Ansicht über das Mitbringen von Knallbonbons in die Schule. Sein Gesicht nahm aber den gewohnten Ausdruck milder Höflichkeit an, als er sagte: »Master Osborne, ich gebe Ihnen volle Erlaubnis, Ihre Freunde in der Kutsche zu sprechen, und bitte Sie, ihnen die respektvollsten Komplimente von mir und Mrs. Veal zu überbringen.«
Georgy ging in das Empfangszimmer und sah zwei Fremde, die er in seiner gewohnten hochmütigen Art mit zurückgeworfenem Kopf betrachtete. Der eine war dick, mit Schnurrbart, der andere mager und lang und trug einen blauen Rock. Er hatte ein braunes Gesicht und graumelierte Haare.
»Mein Gott, welche Ähnlichkeit!« sagte der lange Herr und fuhr zurück. »Kannst du erraten, wer wir sind, George?«
Der Knabe wurde rot wie gewöhnlich, wenn er erregt war, und seine Augen strahlten. »Den anderen kenne ich nicht«, sagte er, »aber ich sollte annehmen, daß Sie Major Dobbin sind.«
Es war tatsächlich unser alter Freund. Seine Stimme zitterte vor Freude, als er den Knaben begrüßte. Er nahm beide Hände des Burschen in die seinigen und zog ihn an sich.
»Deine Mutter hat dir gewiß von mir erzählt, nicht wahr?« fragte er.
»Natürlich!« erwiderte Georgy. »Viele, viele hundert Male.«
57. Kapitel
Eothen 1
Einer der vielen Gründe für den Stolz des alten Osborne war, daß Sedley, sein alter Rivale, Feind und Wohltäter, in seinen letzten Tagen so völlig besiegt und erniedrigt war, daß er finanzielle Unterstützung aus den Händen des Mannes annehmen mußte, der ihn am schwersten verwundet und beleidigt hatte. Der erfolgreiche Weltmann beschimpfte den alten Almosenempfänger und half ihm von Zeit zu Zeit. Wenn er George Geld für seine Mutter gab, so gab er dem Knaben in seiner gewöhnlichen brutalen, rohen Weise zu verstehen, daß Georges Großvater mütterlicherseits nur ein erbärmlicher alter Bankrotteur und Abhängiger sei und daß John Sedley dem Mann, dem er bereits so viel Geld schuldete, dankbar sein müsse für die Hilfe, die sein, Osbornes, Edelmut ihm gewährte. George brachte diese prahlerische Summe seiner Mutter und dem gebeugten alten Witwer, dessen Pflege und Tröstung jetzt Amelias Hauptbeschäftigung war. Der kleine Bursche behandelte den schwachen, unglücklichen alten Mann sehr gönnerhaft.
Es war vielleicht Mangel an »schicklichem Stolz« bei Amelia, daß sie die finanziellen Wohltaten aus der Hand des Feindes ihres Vaters annahm. Schicklicher Stolz und diese arme Dame hatten einander jedoch nie gut gekannt. Sie war ein von Natur aus einfaches, schutzbedürftiges Wesen; lange Jahre in Armut und Demütigung unter täglichen Entbehrungen und bösen Worten und guten Taten ohne Belohnung waren ihr Los gewesen, seit sie erwachsen war oder seit ihrer unglücklichen Heirat mit George Osborne. Du, der du täglich siehst, daß bessere Menschen als du diese Schande erdulden, die still die Schicksalsschläge ertragen, sanft und unbemitleidet, arm und noch verachtet wegen ihrer Armut sind – steigst du je von der Höhe deines Glücks herab und wäschst diesen armen müden Bettlern die Füße? Schon der Gedanke an sie erscheint verhaßt und gemein. »Es muß Klassen geben – es muß Reiche und Arme geben«, sagt der Reiche und schlürft seinen Rotwein (es ist schon viel, wenn er Lazarus 2 , der unter seinem Fenster sitzt, Fleischbröckchen hinausschickt). Das stimmt schon,
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