Jahrmarkt der Eitelkeit
vierzig Jahren Langerweile und schlechter Behandlung. Es war für einen lebhaften Knaben nicht schwer, sie zu beherrschen. Wenn George irgend etwas von ihr wollte, angefangen von den Marmeladentöpfen in ihren Wandschränken bis zu den rissigen, vertrockneten alten Farben in ihrem Tuschkasten (dem alten Tuschkasten, den sie als Schülerin von Mr. Smee gehabt hatte, als sie noch ein junges blühendes Mädchen gewesen war), dann ergriff er Besitz von dem Gegenstand seiner Wünsche und kümmerte sich danach nicht mehr um seine Tante.
Seine Freunde und Kumpane waren ein prahlerischer alter Schulmeister, der ihm schmeichelte, und ein Speichellecker, älter als er, den er verprügeln konnte. Es war Mrs. Todds größtes Entzücken, wenn er mit ihrer jüngsten Tochter, Rosa Jemima, einem lieblichen Mädchen von acht Jahren, zusammen war. »Das Pärchen paßt so hübsch zusammen«, sagte sie ständig (aber natürlich nicht zu den Leuten vom »Square«). Wer weiß, was noch geschehen kann! Sind sie nicht ein schönes Pärchen? dachte die zärtliche Mutter.
Der gebrochene alte Großvater mütterlicherseits war dem kleinen Tyrannen ebenfalls untertan. Er mußte einfach einen Burschen respektieren, der so feine Kleider trug und mit einem Reitknecht ausritt. Georgy dagegen hörte beständig, wie Mr. Sedley von seinem unbarmherzigen alten Feind, Mr. Osborne, roh beschimpft und gemein verhöhnt wurde. Osborne nannte ihn den alten Almosenempfänger, den alten Kohlenmann, den alten Bankrotteur und gab ihm noch viele ähnliche bösartige gemeine Schimpfnamen. Wie konnte George dann einen so heruntergekommenen Mann achten? Einige Monate nach seiner Übersiedlung zum Großvater väterlicherseits starb Mrs. Sedley. Zwischen ihr und dem Kind hatte es wenig Liebe gegeben, und der Junge bemühte sich nicht, traurig zu scheinen. Er besuchte seine Mutter in einem schönen neuen Traueranzug und war sehr ärgerlich, nicht zu einem Theaterstück gehen zu können, das er sehr gern gesehen hätte.
Die Krankheit der alten Dame war Amelias Beschäftigung und vielleicht auch Rettung gewesen. Was wissen schon die Männer von den Leiden der Frauen. Wir würden wahnsinnig werden, hätten wir nur den hundertsten Teil der Qualen zu erdulden, die viele Frauen täglich bescheiden ertragen. Unablässige Sklaverei, die keinen Lohn findet, stete Sanftmut und Freundlichkeit, die mit Grausamkeit beantwortet wird; Liebe, Armut, Geduld, Wachsamkeit und dabei nicht die kleinste Anerkennung durch ein gutes Wort. Wie viele von ihnen müssen das alles in der Stille ertragen und erscheinen dann noch in der Öffentlichkeit, als ob sie nichts fühlten! Diese zärtlichen Sklavinnen müssen notwendigerweise heuchlerisch und schwach werden.
Amelias Mutter hatte anfangs immer im Stuhl gesessen und war dann bettlägerig geworden. Mrs. Osborne verließ das Bett der Kranken nie, es sei denn, sie lief, um George zu sehen. Aber selbst diese seltenen Besuche verübelte ihr die alte Frau, sie, die einst in besseren Tagen eine freundliche, lächelnde, gütige Mutter gewesen war, die aber Armut und Krankheit jetzt gebrochen hatten. Krankheit und Entfremdung berührten Amelia nicht so sehr, im Gegenteil, sie ermöglichten ihr, das andere Unglück, unter dem sie litt, zu ertragen, und die unablässigen Forderungen der Patientin brachten sie auf andere Gedanken. Amelia ertrug das mürrische Wesen der Mutter mit Sanftmut, glättete ihr das zerwühlte Kissen, hatte für ihre zänkischen Fragen stets eine milde Antwort, beruhigte die Leidende mit Worten der Hoffnung, die ihr frommes, einfaches Herz am besten fühlen und äußern konnte, und drückte die Augen zu, die einst so zärtlich auf sie geblickt hatten.
Dann verwendete sie all ihre Zeit und Zärtlichkeit für den Trost und die Pflege des alten verlassenen Vaters, der von dem Schlag, welcher ihn betroffen hatte, ganz betäubt war und jetzt allein in der Welt stand. Seine Frau, seine Ehre, sein Vermögen, alles, was er am meisten geliebt hatte, war ihm genommen worden, und nur Amelia stand ihm noch bei und stützte mit ihren sanften Armen den wankenden, gebrochenen alten Mann. Wir wollen die Geschichte nicht fortsetzen, sie wäre zu traurig und langweilig. Ich sehe den Jahrmarkt der Eitelkeit schon weinend vor mir.
Eines Tages, als die jungen Herren im Studierzimmer bei Ehrwürden Mr. Veal versammelt waren und der Hauskaplan des ehrenwerten Grafen Bareacres wie gewöhnlich deklamierte, fuhr ein hübscher Wagen an der Tür vor,
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