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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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Woche weggegangen wäre. »Bring die Sachen des Majors auf Nummer dreiundzwanzig, das ist sein Zimmer«, sagte John ohne das geringste Zeichen von Überraschung. »Gebratenes Huhn zum Diner, nehme ich an. Sie sind nicht verheiratet? Es hieß, Sie hätten geheiratet – der schottische Arzt von Ihrem Regiment war hier. Nein, es war Hauptmann Humby vom Dreiunddreißigsten, das in Indien mit dem ...ten im Quartier lag. Wollen Sie warmes Wasser? Warum kommen Sie mit der Extrapost? Genügt die Postkutsche nicht?« Mit diesen Worten ging der treue Kellner, der sich an jeden Offizier, der das Haus besuchte, erinnerte und dem zehn Jahre wie ein Tag waren, Dobbin voran in dessen altes Zimmer, wo noch das breite Moreenbett war und der abgenutzte Teppich noch eine Spur schmutziger und die alten schwarzen, mit verschossenem Kattun bezogenen Möbel, gerade wie sie der Major noch von der Jugend her in Erinnerung hatte.
    Er dachte an George, wie er am Tage vor seiner Hochzeit nägelkauend im Zimmer auf und ab gegangen war und geschworen hatte, daß der Alte weich werden müsse, wenn er es aber nicht tue, dann schere er sich keinen Pfifferling darum. Er hörte ihn noch Dobbins Tür und seine eigene nebenan zuknallen.
    »Sie sind nicht jünger geworden«, sagte John und betrachtete den Freund aus früheren Zeiten ruhig.
    Dobbin lachte. »Zehn Jahre und das Fieber machen den Menschen nicht jünger, John«, sagte er; »Sie bleiben immer jung – nein, Sie bleiben immer alt.«
    »Was ist aus Hauptmann Osbornes Witwe geworden?« fragte John. »Feiner junger Kerl war es. Gott, wie er das Geld zum Fenster hinauswarf. Seit dem Tag, an dem er von hier aus zur Trauung ging, ist er nicht wieder hiergewesen. Er schuldet mir noch drei Pfund. Sehen Sie hier, ich habe es in meinem Buch: ›10. April 1815, Hauptmann Osborne – drei Pfund.‹ Ich möchte wissen, ob sein Vater mir das mal bezahlen würde.« Mit diesen Worten zog John das alte Saffiannotizbuch hervor, in das er auf ein noch vorhandenes, fettiges, verblichenes Blatt die Schulden des Hauptmanns neben vielen anderen Geldforderungen an ehemalige Besucher des Hauses gekritzelt hatte.
    Nachdem John seinen Gast auf sein Zimmer gebracht hatte, zog er sich mit der größten Ruhe zurück. Major Dobbin kramte aus seinem Gepäck, nicht ohne über sein unvernünftiges Handeln zu erröten und zu lächeln, den schönsten und kleidsamsten Zivilanzug hervor, den er besaß. Er mußte über sein gebräuntes Gesicht und sein graues Haar lachen, als er sich in dem trüben kleinen Spiegel über dem Toilettentisch betrachtete.
    Ich freue mich, daß mich der alte John nicht vergessen hat, dachte er. Hoffentlich erkennt sie mich auch, und er trat aus dem Gasthaus und lenkte seine Schritte wieder in Richtung Brompton.
    Jeder kleinste Umstand seines letzten Zusammenseins mit Amelia stand dem treuen Menschen wieder vor Augen, als er ihrem Hause zuging. Der Triumphbogen und die Achillesstatue waren errichtet worden, seit er Piccadilly zum letztenmal gesehen hatte. Hunderterlei hatte sich verändert, aber er nahm es mit Auge und Geist kaum auf. Er zitterte, als er die Bromptoner Gasse durchschritt, die wohlbekannte Gasse, die zu der Straße führte, wo sie wohnte. Ob sie denn nun heiraten wollte oder nicht? Wenn er ihr und dem kleinen Knaben begegnete – guter Gott! Was sollte er dann tun? Er sah eine Frau mit einem fünfjährigen Kind auf sich zukommen. War sie es? Schon bei dem bloßen Gedanken daran bebte er. Als er endlich die Häuserreihe, in der sie wohnte, und ihre Tür erreichte, griff er zur Klinke und blieb stehen. Er hätte hören können, wie sein Herz klopfte.
    Möge sie der Allmächtige segnen, was auch immer geschehen ist, dachte er bei sich. »Pah, sie wohnt vielleicht gar nicht mehr hier«, sagte er und schritt durch das Tor.
    Das Fenster des Zimmers, das sie sonst bewohnt hatte, stand offen, und es war niemand darin zu sehen. Der Major glaubte das Klavier mit dem Porträt darüber zu erkennen wie in früheren Zeiten, und seine Unruhe kam wieder. Mr. Clapps Messingschild war noch an der Tür. Dobbin klopfte.
    Ein dralles Mädchen von sechzehn mit klaren Augen und roten Wangen kam auf das Klopfen herbei und betrachtete den Major, der sich an die Wand des Häuschens lehnte, aufmerksam. Er war bleich wie ein Gespenst und vermochte kaum hervorzustammeln:
    »Wohnt Mrs. Osborne hier?«
    Sie blickte ihn einen Augenblick scharf an, wurde ebenfalls blaß und antwortete:
    »Gott behüte mich – das ist

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