Jahrmarkt der Eitelkeit
erwähnt. Übrigens sei es ganz drollig, daß sie von Major Dobbins Heirat geschrieben habe und hoffe,
er
werde glücklich werden. Welches Datum trugen Sedleys Briefe aus Europa? Der Zivilist holte sie herbei. Sie waren zwei Monate später abgeschickt, als die des Majors. Der Schiffsarzt gratulierte sich zu der Behandlung, die er bei seinem neuen Patienten angewendet hatte. Der Mediziner in Madras hatte ihn nämlich mit sehr schwachen Hoffnungen auf das Schiff geliefert, und von dem Tag an, gerade dem Tag, als er die Arznei gewechselt hatte, genas Major Dobbin. So kam es, daß der verdienstvolle Offizier Hauptmann Kirk um den Majorsrang gebracht wurde.
Nachdem sie Sankt Helena passiert hatten, war Major Dobbin so munter und kräftig geworden, daß er alle seine Mitpassagiere in Erstaunen setzte. Er tollte mit den Seekadetten herum, veranstaltete Stockfechten mit den Offizieren, kletterte auf die Masten wie ein Schiffsjunge, sang eines Abends ein komisches Lied zur Belustigung der ganzen Gesellschaft, die nach dem Abendessen beim Grog zusammensaß, und war so munter, lebhaft und liebenswürdig, daß selbst Kapitän Bragg, der anfangs geglaubt hatte, es sei nichts los mit seinem Passagier und ihn für einen geistesarmen Kerl hielt, gestehen mußte, daß der Major ein zurückhaltender, aber kluger und verdienstvoller Offizier sei.
»Er hat keine sehr vornehmen Manieren, verdammt!« bemerkte Bragg zu seinem Ersten Offizier. »In das Haus des Gouverneurs würde er nicht hineinpassen, wo doch der Lord und Lady William so freundlich gegen mich waren und mir vor der ganzen Gesellschaft die Hand schüttelten und wo er mich bei Tisch noch vor dem Oberbefehlshaber zum Biertrinken aufforderte. Ja, gute Manieren hat er nicht, aber es ist so etwas Gewisses an ihm ...«
Mit dieser Meinung bewies Kapitän Bragg, daß er Einsicht als Mensch und auch Fähigkeiten als Kommandeur besaß.
Als aber die »Ramchunder« zehn Tagereisen von England entfernt war, trat Windstille ein, und nun wurde Major Dobbin ungeduldig und übellaunig, zur Überraschung derer, die früher seine Lebhaftigkeit und Gutmütigkeit bewundert hatten. Das änderte sich erst, als sich der Wind wieder erhob; und als der Lotse an Bord kam, war er sehr erregt. Guter Gott! Wie klopfte ihm das Herz, als sich die beiden freundlichen Türme von Southampton am Horizont zeigten!
58. Kapitel
Unser Freund der Major
Unser Major hatte sich an Bord der »Ramchunder« sehr beliebt gemacht. Als er nämlich mit Mr. Sedley in das ersehnte Landungsboot stieg, ließ die gesamte Schiffsbesatzung, Mannschaften und Offiziere, allen voran der Kapitän, drei Hurras für Major Dobbin erschallen, der tief errötete und zum Zeichen des Dankes den Kopf einzog. Joseph, der höchstwahrscheinlich die Hochrufe auf sich bezog, nahm seine goldbebänderte Mütze ab und schwenkte sie majestätisch gegen seine Freunde. So wurden sie ans Ufer gerudert und landeten würdevoll am Kai; von dort begaben sie sich ins »Royal George Hotel«.
In der Kaffeestube des Hotels erwartete sie eine herrliche Rinderkeule und eine silberne Kanne, die echtes britisches Bier vermuten ließ. Dieser Anblick erfreut und stärkt das Auge des aus dem Ausland zurückkehrenden Reisenden so, daß jeder, der ein so bequemes, hübsches, anheimelndes englisches Gasthaus betritt, gern einige Tage darin verweilen möchte. Aber Dobbin fing augenblicklich an, von einer Postkutsche zu sprechen, und kaum war er in Southampton angekommen, als er schon wünschte, sich auf den Weg nach London zu machen. Joe dagegen wollte nichts von der Weiterreise noch an diesem Abend hören. Warum sollte er die Nacht in einer Postkutsche zubringen, statt in dem breiten, wogenden Daunenbett, das es hier anstelle des entsetzlichen schmalen Käfigs gab, in dem der stattliche Herr aus Bengalen während der Reise eingesperrt gewesen war. Er konnte erst fort, wenn sein Gepäck an Land war, und es war ihm erst möglich, zu reisen, wenn er seinen indischen Tabak hatte; der Major mußte also bis zum nächsten Morgen warten. Er schickte einen Brief mit der Nachricht von seiner Ankunft an seine Familie und nahm Joseph das Versprechen ab, seinen Verwandten ebenfalls zu schreiben. Joseph hielt aber sein Versprechen nicht. Der Kapitän, der Schiffsarzt und ein paar Passagiere kamen und dinierten mit den beiden Herren im Gasthaus, und Joseph bestellte das Beste, was zu haben war, und versprach dem Major, am nächsten Tag mit ihm nach London zu reisen. Der Wirt
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