Jahrmarkt der Eitelkeit
erklärte, es habe seinen Augen gutgetan, zu sehen, wie Mr. Sedley sein erstes Glas Porter trank. Wenn ich Zeit hätte und es wagte abzuschweifen, so würde ich ein Kapitel über dieses erste auf englischem Boden getrunkene Glas Porter schreiben. Oh, wie köstlich es doch ist! Es lohnt, die Heimat auf ein Jahr zu verlassen, nur um diesen einen Zug zu genießen.
Major Dobbin erschien am nächsten Morgen wie immer nett rasiert und gekleidet. Es war noch so früh, daß niemand im Hause wach war, mit Ausnahme eines dieser wunderbaren Hausknechte, die anscheinend nie Schlaf brauchen. Als sich der Major auf knarrenden Dielen durch die dunklen Korridore stahl, konnte er hören, wie das Schnarchen der verschiedenen Gäste durch die Gänge hallte. Dann schlich der schlaflose Hausknecht von Tür zu Tür und sammelte die Stiefelpaare ein, die davorstanden. Kurz darauf erhob sich Josephs Eingeborenendiener und begann, die umständliche Toilette seines Herrn vorzubereiten und ihm die Wasserpfeife zu stopfen. Nun standen die weiblichen Dienstboten auf, und als sie den dunkelhäutigen Mann erblickten, kreischten sie und hielten ihn für den Teufel. Er und Dobbin stolperten in den Gängen über die Wassereimer, mit denen die Mädchen die Dielen scheuerten. Als der erste unrasierte Kellner erschien und die Tür des Gasthauses öffnete, hielt der Major die Zeit zur Abreise für gekommen und ließ sofort eine Extrapostkutsche bestellen, damit sie abfahren könnten.
Hierauf richtete er seine Schritte zu Mr. Sedleys Zimmer und zog die Vorhänge des großen Familienbettes zurück, in dem Mr. Joseph schnarchte.
»Stehen Sie auf, Sedley«, rief der Major, »es ist Zeit aufzubrechen. Die Postkutsche wird in einer halben Stunde vor der Tür stehen.«
Unter dem Deckbett hervor fragte ihn Joseph knurrend, wie spät es denn sei. Als er aber schließlich von dem errötenden Major die Zeit erfuhr – Dobbin konnte nie eine Unwahrheit aussprechen, mochte sie auch noch so sehr zu seinem Vorteil gereichen –, brach er in eine Schimpfkanonade aus, die wir hier nicht wiederholen wollen. Jedenfalls gab er Dobbin zu verstehen, daß er seine Seele in Gefahr brächte, würde er in diesem Augenblick aufstehen, daß der Major zum Henker gehen sollte, daß er nicht mit Dobbin reisen wolle und daß es sehr unfreundlich und unhöflich sei, einen Menschen so im Schlaf zu stören. Darauf mußte sich der besiegte Major zurückziehen und Joseph seinen unterbrochenen Schlummer fortsetzen lassen.
Die Postkutsche kam bald darauf, und der Major wollte nicht länger warten.
Wäre er ein englischer adliger Vergnügungsreisender gewesen oder ein Zeitungskurier mit Depeschen (die Regierungsbotschaften werden gewöhnlich viel langsamer befördert), so hätte er nicht schneller reisen können. Die Postillione wunderten sich über die Trinkgelder, die er unter ihnen verteilte. Wie glücklich und frisch das Land aussah, als die Postkutsche von einem Meilenstein zum anderen dahineilte, durch nette Landstädte, wo die Wirte auf die Straße herausgetreten waren und lächelnd und mit Verbeugungen grüßten, vorbei an hübschen Gasthäusern am Wege, wo die Schilder an den Ulmen hingen und Pferde und Fuhrleute im gesprenkelten Schatten der Bäume tranken, vorbei an alten Schlössern und Parks, ländlichen Weilern, die sich um alte graue Kirchen scharten, durch die bezaubernde freundliche Landschaft Englands. Gibt es etwas auf der Welt, was dem gleichkommt? Für den aus der Fremde Heimkehrenden ein schönes Bild – ihm scheint im Vorbeifahren, alles wolle ihm die Hand schütteln. Nun ja, Major Dobbin reiste von Southampton nach London daran vorüber und bemerkte außer den Meilensteinen am Wege kaum etwas. Er hatte es ja so eilig, seine Eltern in Camberwell wiederzusehen.
Die Zeit, die er verlor, als er von Piccadilly getreulich wieder zu seiner alten Herberge in Slaughters Kaffeehaus fuhr, tat ihm schon leid. Zehn Jahre waren vergangen, seit er zum letztenmal hiergewesen war, seit er und George als junge Männer hier manches Festmahl und manches Trinkgelage gehalten hatten. Er gehörte jetzt zu den Alten. Sein Haar war ergraut und mit ihm viele Leidenschaften und Gefühle seiner Jugend. An der Tür jedoch stand der alte Kellner in demselben fettigen schwarzen Anzug, mit demselben Doppelkinn und schlaffen Gesicht, mit demselben riesigen Bündel von Petschaften an der Uhrkette. Er klimperte wie früher mit dem Geld in der Tasche und empfing den Major, als ob er erst vor einer
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