Jahrmarkt der Eitelkeit
Osbornes angebracht werden sollte.
Obwohl die Dame Bullock, Georges Tante, durch dieses kleine Ungeheuer um die Hälfte der Summe gebracht worden war, die sie von ihrem Vater erwartet hatte, bewies sie ihre christliche Gesinnung doch dadurch, daß sie sich mit der Mutter und dem Knaben aussöhnte. Roehampton ist nicht weit von Richmond entfernt. Eines Tages fuhr daher die Kutsche mit dem goldenen Bullenwappen am Wagenschlag und den schwammigen Kindern im Innern an Amelias Haus in Richmond vor, und die Familie Bullock fiel in den Garten ein, wo Amelia ein Buch las, Joseph in einer Laube gelassen Erdbeeren in Wein tauchte und der Major in einer indischen Jacke gebückt stand und Georgy seinen Rücken zum Bockspringen lieh. Der Junge sprang über Dobbins Kopf hinweg geradewegs in die kleine Vorhut der Bullocks hinein, die mit ungeheuren schwarzen Schleifen an den Hüten und breiten schwarzen Schärpen ihre trauernde Mama bei diesem Besuch begleiteten.
Er hat gerade das richtige Alter für Rosa, dachte die zärtliche Mutter und blickte auf ihr liebes Kind, ein ungesund aussehendes kleines Fräulein von sieben.
»Rosa, geh und gib deinem lieben Cousin einen Kuß«, sagte Mrs. Frederick. »Kennst du mich nicht, George? Ich bin deine Tante.«
»Ich kenne dich sehr gut, aber ich will nicht gern geküßt werden«, sagte George und wich vor der gehorsamen Liebkosung seiner Cousine zurück.
»Führe mich zu deiner lieben Mama, du drolliges Kind«, sagte Mrs. Frederick, und die beiden Damen sahen sich nun nach fünfzehn Jahren zum ersten Male wieder. In der Zeit, als Emmy mit Armut und Sorgen zu kämpfen hatte, war es der anderen nie eingefallen, sie zu besuchen; da es ihr aber jetzt leidlich gut ging, verstand es sich von selbst, daß die Schwägerin kam.
So kamen auch viele andere. Unsere alte Freundin, Miss Swartz, kam mit ihrem Mann von Hampton Court herbeigedonnert, begleitet von Lakaien in quittegelber Livree, und sie liebte Amelia so ungestüm wie eh und je. Die Swartz hätte Amelia stets gern gehabt, wenn sie sie nur gesehen hätte, die Gerechtigkeit muß man ihr widerfahren lassen. Aber que voulez-vous? In dieser Riesenstadt hat man nicht die Zeit, seine Freunde zu suchen. Wenn sie aus Reih und Glied fallen, dann verschwinden sie, und wir marschieren ohne sie weiter. Wer wird denn schon vermißt auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit?
Kurz gesagt, sah sich Emmy noch vor Ende der Trauerzeit um Mr. Osborne im Mittelpunkt eines wirklich sehr vornehmen Kreises, dessen Mitglieder sich nicht vorstellen konnten, daß jemand, der dazugehörte, nicht sehr glücklich sein könnte. Es gab unter den Damen kaum eine, die nicht einen Peer in der Verwandtschaft gehabt hätte, wenn auch ihr Gemahl selbst nur Ladenbesitzer in der City war. Einige der Damen waren sehr gut unterrichtet und blaustrümpfig, sie lasen Mrs. Somerville 3 und besuchten das Königliche Institut 4 . Andere waren streng evangelisch und hielten sich an die Exeter Hall 5 . Emmy kam sich in ihrem Geschwätz recht verloren vor, und bei ein paar Gelegenheiten, wo sie Mrs. Bullocks Gastfreundschaft annehmen mußte, litt sie entsetzlich. Diese Dame mußte sie unbedingt begönnern und hatte großzügigerweise beschlossen, sie umzuformen. Sie verschaffte Amelia Modistinnen und brachte ihren Haushalt und ihre Manieren in Ordnung. Sie fuhr sehr oft von Roehampton herüber und unterhielt ihre Freundin mit fadem Modeklatsch und lauem Hoftratsch. Joseph hörte ihr gern zu, aber der Major entfernte sich stets brummend, wenn diese Frau mit ihrer Pseudovornehmheit erschien. Bei einer der besten Gesellschaften von Frederick Bullock schlief er nach dem Essen direkt unter dem kahlen Schädel des Bankiers ein. Fred war immer noch darauf bedacht, daß das Osbornesche Vermögen von Stumpy und Rowdy in seine Firma überführt werden sollte, während Amelia, die weder Latein verstand noch wußte, wer den letzten Bombenartikel in der »Edinburgh Review« geschrieben hatte, die auch Mr. Peels neuerliches ungewöhnliches Schwanken bei dem verhängnisvollen Gesetz zur Unterstützung der Katholiken 6 weder bedauerte noch lobte, stumm unter den Damen in dem großartigen Salon saß, der auf samtigen Rasen, wohlgepflegte Gartenwege und glänzende Gewächshäuser hinausging.
»Sie scheint gutmütig, aber fade zu sein«, sagte Mrs. Rowdy, »der Major scheint ungemein verliebt zu sein.«
»Es fehlt ihr bedauerlicherweise an Lebensart«, meinte Mrs. Hollycock. »Mein liebes Herz, es wird Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher