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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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bleiben, Mrs. Crawley, muß ich es in Ihrer Gegenwart sagen –, daß Sie meiner Ansicht nach sich nicht in die Familie meiner Freunde drängen sollten. Eine Dame, die von ihrem Mann geschieden ist, die unter falschem Namen reist, die öffentliche Spiellokale besucht ...«
    »Ich war doch beim Ball!« rief Becky.
    »... ist keine passende Gesellschaft für Mrs. Osborne und ihren Sohn«, fuhr Dobbin fort. »Und ich kann hinzufügen, daß es hier Leute gibt, die Sie kennen und über Sie Sachen wissen, die ich vor – vor Mrs. Osborne nicht einmal erwähnen möchte.«
    »Ihre Anschuldigungen, Major Dobbin, sind sehr bescheiden und schicklich«, sagte Rebekka. »Sie lassen mich unter der Wucht einer Anklage, die nach alledem nicht einmal ausgesprochen wird. Was ist es? – Ist es Untreue gegenüber meinem Mann? Ich verachte es und möchte den sehen, der etwas beweisen kann, ja, das möchte ich. Meine Ehre ist makellos wie die des bittersten Feindes, der mich je verleumdet hat. Klagen Sie mich der Armut, Verlassenheit und des Elends an? – Ja, dieser Vergehen bin ich schuldig und werde täglich dafür bestraft. Laß mich gehen, Emmy. Ich brauche bloß anzunehmen, daß ich dich nicht getroffen hätte, dann geht es mir heute nicht schlimmer als gestern. Ich muß mir nur vorstellen, daß die Nacht vorüber und der arme Wanderer wieder unterwegs ist. Erinnerst du dich noch an das Lied, das wir in der alten, in der guten alten Zeit gesungen haben? Ich bin seitdem stets auf der Wanderschaft gewesen – eine arme Ausgestoßene, verachtet wegen ihres Elends, beleidigt wegen ihrer Einsamkeit. Laß mich gehen; mein Aufenthalt in diesem Haus stört die Pläne dieses Herrn.«
    »Jawohl, das stimmt, Madame«, sagte der Major. »Wenn ich in diesem Haus auch nur etwas zu sagen habe ...«
    »Zu sagen habe? Nichts!« stieß Amelia hervor. »Rebekka, du bleibst. Ich werde dich nicht allein lassen, weil du verfolgt bist, und dich nicht verletzen, weil – weil Major Dobbin es tut. Komm, meine Liebe!« Und die beiden Frauen wandten sich zur Tür.
    William öffnete ihnen. Als sie hinausgingen, ergriff er jedoch Amelias Hand und sagte: »Wollen Sie noch einen Augenblick bleiben und mich anhören?«
    »Er will allein mit dir sprechen«, sagte Becky mit Märtyrermiene. Amelia drückte ihr zur Antwort die Hand.
    »Auf meine Ehre, ich will nicht über Sie sprechen«, sagte Dobbin. »Kommen Sie zurück, Amelia.« Und sie kam. Dobbin verbeugte sich gegen Mrs. Crawley, als er die Tür hinter ihr schloß. Amelia lehnte am Spiegel und blickte ihn an; Gesicht und Lippen waren sehr blaß.
    »Ich war etwas durcheinander, als ich eben sprach«, sagte der Major nach einer Pause. »Ich habe es falsch ausgedrückt, als ich eben davon sprach, wer in diesem Haus etwas zu sagen hat.«
    »Ja, das haben Sie«, sagte Amelia zähneklappernd.
    »Zumindest habe ich Anspruch darauf, daß man mich anhört«, fuhr Dobbin fort.
    »Es ist sehr großzügig, mich daran zu erinnern, wie wir Ihnen verpflichtet sind«, erwiderte die Frau.
    »Der Anspruch, den ich meine, wurde mir von Georges Vater hinterlassen«, sagte William.
    »Ja, und Sie haben sein Andenken beleidigt. Gestern haben Sie es getan. Das wissen Sie. Und ich werde Ihnen nie verzeihen. Niemals!« rief Amelia. Jedes Wort schoß sie bebend vor Zorn und Erregung hervor.
    »Das meinen Sie doch nicht im Ernst, Amelia?« fragte William trübe. »Sie meinen doch nicht, daß diese in Übereilung geäußerten Worte ein ganzes Leben voller Hingabe aufwiegen können? Ich glaube, ich habe Georges Andenken so, wie ich gesprochen habe, nicht beleidigt, und wenn wir Vorwürfe miteinander austauschen wollen, so verdiene ich zumindest keine von seiner Witwe und der Mutter seines Sohnes. Denken Sie darüber nach, später, wenn – wenn Sie Zeit haben, und Ihr Gewissen wird diese Anklage zurückziehen. Das tut es übrigens schon jetzt.« Amelia senkte den Kopf.
    »Es sind nicht die gestrigen Worte«, fuhr er fort, »die Sie dazu veranlassen. Das ist bloß ein Vorwand, Amelia, oder ich habe Sie fünfzehn Jahre lang umsonst geliebt und beobachtet. Habe ich nicht in dieser Zeit gelernt, in Ihren Gefühlen und Gedanken zu lesen? Ich weiß, wozu Ihr Herz fähig ist; es kann sich treu an eine Erinnerung hängen und ein Phantasiegebilde hegen, kann aber nicht die Neigung fühlen, mit der meine erwidert zu werden verdient und die ich von einer großherzigen Frau auch erlangt hätte. Nein, Sie verdienen die Liebe nicht, die ich Ihnen

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