Jahrmarkt der Eitelkeit
Liebe!« bestätigte Joseph.
»Das arme Geschöpf! Nach allem, was sie durchgemacht hat«, fuhr Emmy fort. »Ihr schurkischer Bankier hat Bankrott gemacht und ist durchgegangen, ihr Mann – der gottlose Bösewicht – hat sie verlassen und ihr das Kind entrissen.« (Bei diesen Worten ballte sie die kleinen Fäuste und hielt sie drohend vor sich hin, so daß der Major bezaubert war, eine so kühne Amazone zu sehen.) »Das arme liebe Ding! Ganz allein und gezwungen, Gesangunterricht zu geben, um sich ihr Brot zu verdienen – und nun sollen wir sie nicht ins Haus nehmen.«
»Lassen Sie sich Gesangstunden geben, meine liebe Mrs. Osborne«, rief der Major, »aber nehmen Sie sie nicht ins Haus; ich flehe Sie an, tun Sie es nicht.«
»Pah!« sagte Joseph.
»Sie, der Sie immer gut und freundlich sind, zumindest waren – ich bin erstaunt über Sie, Major William«, rief Amelia. »Wann, wenn nicht jetzt, wo es ihr so schlecht geht, soll man ihr denn helfen? Jetzt ist die Zeit, um ihr nützlich zu sein. Meine älteste Freundin, und nicht ...«
»Sie ist nicht immer Ihre Freundin gewesen, Amelia«, sagte der Major, der jetzt wirklich ärgerlich wurde. Diese Andeutung war zuviel für Emmy. Beinahe wütend blickte sie dem Major ins Gesicht und sagte: »Schämen Sie sich, Major Dobbin!« Nachdem sie diesen Schuß abgefeuert hatte, schritt sie majestätisch aus dem Zimmer und schlug die Tür heftig hinter sich und ihrer beleidigten Würde zu.
»Darauf anzuspielen«, sagte sie, nachdem die Tür zu war. »Oh, es war grausam von ihm, mich daran zu erinnern.« Und sie sah auf Georges Bild, das zusammen mit dem Porträt des Knaben an seinem gewöhnlichen Platz hing. »Das war grausam von ihm; durfte er davon sprechen, da ich doch verziehen habe? – Nein! Und von seinen eigenen Lippen weiß ich, wie schlecht und grundlos meine Eifersucht war und daß du rein warst. Ja, du warst rein, mein Heiliger im Himmel!«
Zitternd und entrüstet durchschritt sie das Zimmer. Sie lehnte sich auf die Kommode, über der das Bild hing, und sah es lange an. Seine Augen schienen sie mit einem Vorwurf anzublicken, der immer deutlicher wurde, je länger sie hinaufschaute. Die teure, teure Erinnerung an die frühe kurze Liebe drängte sich ihr wieder auf. Die Wunde, die durch lange Jahre hindurch kaum vernarbt war, blutete von neuem, und – ach, wie schmerzlich! Sie konnte die Vorwürfe ihres Mannes da vor ihr nicht ertragen. Es konnte nicht sein. Nie, niemals!
Armer Dobbin, armer alter William. Dieses unglückselige Wort hat das Werk vieler Jahre vernichtet – das lange mühsame Gebäude eines Lebens voller Liebe und Treue, errichtet auf geheimem verborgenem Grund, in dem Leidenschaften, ungezählte Kämpfe, unbekannte Opfer begraben lagen. Ein kleines Wort war gesprochen worden, und der schöne Hoffnungspalast stürzte zusammen – ein Wort, und der Vogel, den er sein ganzes Leben hindurch anzulocken versucht hatte, flog davon.
Obwohl William aus Amelias Blick ersehen hatte, daß eine große Krisis eingetreten war, fuhr er doch fort, Sedley mit energischen Worten zu bitten, sich vor Rebekka zu hüten. Er beschwor ihn eifrig, ja fast leidenschaftlich, sie nicht aufzunehmen. Er bat Joseph, doch wenigstens erst Erkundigungen über sie einzuziehen. Er erzählte, er habe gehört, sie befinde sich in Gesellschaft von Spielern und Leuten von schlechtem Ruf. Er machte ihn auf das Unheil aufmerksam, das sie in früheren Tagen gestiftet habe, daß sie und Crawley den armen George ruiniert hätten und daß sie, wie sie selbst zugab, jetzt von ihrem Mann geschieden sei und vielleicht aus gutem Grund. Er erklärte, was für eine gefährliche Gesellschaft sie für seine Schwester sein werde, die doch die Welt nicht kenne! William flehte Joseph mit aller Beredsamkeit an, die ihm zu Gebote stand, und mit bedeutend mehr Energie, als der ruhige Herr sonst zeigte, Rebekka von seinem Haus fernzuhalten.
Wäre er weniger heftig oder etwas geschickter gewesen, so hätten seine Bitten bei Joseph vielleicht Gehör gefunden; der Zivilist war jedoch nicht wenig eifersüchtig auf die überlegene Miene, die der Major seiner Ansicht nach gegen ihn aufsetzte. Er hatte seine Meinung schon dem Reisediener, Herrn Kirsch, mitgeteilt, und da Major Dobbin auf dieser Reise Kirschs Rechnungen kontrollierte, schlug er sich völlig auf die Seite seines Herrn. So begann Joseph jedoch mit einer schwülstigen Rede, des Inhalts, daß er imstande sei, seine Ehre selbst zu verteidigen,
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