Jahrmarkt der Eitelkeit
man kein Opfer von ihr verlangte, war sie ungemein liberal und großmütig. »Sie hat Verstand genug (im kleinen Finger schon mehr als Sie, meine arme liebe Briggs, im ganzen Kopf). Ihre Manieren sind ausgezeichnet, seitdem sie in meinen Händen ist. Sie ist eine Montmorency, Briggs, und Blut bedeutet etwas, obgleich ich für mein Teil keinen Wert darauf lege; und gewiß hätte sie diesen aufgeblasenen, dummen Leuten in Hampshire besser gezeigt, wer sie ist, als die unglückselige Eisenhändlerstochter.«
Wie gewöhnlich stimmte die Briggs zu, und dann stellte man Vermutungen über Vermutungen über die »frühere Liebe« an.
»Ihr armen freundlosen Geschöpfe habt stets so ein törichtes tendre 3 «, sagte Miss Crawley. »Sie wissen ja, Sie selbst waren in einen Schreiblehrer verliebt (weinen Sie nicht, Briggs – andauernd weinen Sie, und das macht ihn nicht wieder lebendig), und ich vermute, die unglückliche Becky ist ebenfalls töricht und sentimental gewesen – wahrscheinlich ein Apotheker, ein Hausverwalter, ein Maler, ein junger Pfarrer oder so etwas Ähnliches.«
»Armes Ding, armes Ding!« sagte die Briggs (die sich vierundzwanzig Jahre zurückversetzte und an den schwindsüchtigen jungen Schreiblehrer dachte, dessen strohblonde Haarlocke und in ihrer Unleserlichkeit schöne Briefe sie in ihrem alten Pult liebevoll verborgen hielt). »Armes Ding, armes Ding!« sagte die Briggs. Und noch einmal war sie ein rotwangiges Mädchen von achtzehn, und in der Abendandacht sangen der schwindsüchtige Schreiblehrer und sie aus einem Gesangbuch.
»Nachdem sich Rebekka so verhalten hat«, sagte Miss Crawley enthusiastisch, »sollte unsere Familie etwas für sie tun. Suchen Sie doch ausfindig zu machen, wer das Objekt ist, Briggs. Ich richte ihm einen Laden ein oder bestelle mein Porträt bei ihm, wissen Sie, oder ich spreche mit meinem Vetter, dem Bischof – und Becky gebe ich eine schöne Aussteuer, und dann werden wir eine Hochzeit haben, Briggs, und Sie sollen das Frühstück herrichten und Brautjungfer sein.«
Die Briggs erklärte, es werde entzückend sein, und beteuerte, daß ihre liebe Miss Crawley stets gütig und großmütig sei. Dann ging sie zu Rebekka in deren Schlafzimmer hinauf, um sie zu trösten und mit ihr über den Heiratsantrag und ihre Ablehnung und den Grund dafür zu plaudern, um Miss Crawleys großmütige Absichten anzudeuten und ausfindig zu machen, wer denn der Herr wäre, der Miss Sharps Herz erobert habe.
Rebekka war sehr freundlich, sehr liebevoll und gerührt, erwiderte die zärtlichen Angebote der Briggs mit heißer Dankbarkeit, gestand ein, daß eine geheime Liebe im Spiele sei, ein köstliches Geheimnis. Wie schade, daß Miss Briggs nicht eine halbe Minute länger am Schlüsselloch geblieben war! Vielleicht hätte Rebekka mehr gesagt. Miss Briggs war kaum fünf Minuten in Rebekkas Zimmer, als Miss Crawley – eine unerhörte Ehre – selbst erschien. Ihre Ungeduld hatte sie überwältigt. Sie konnte nicht die langsamen Operationen ihrer Gesandten abwarten; nun kam sie in höchsteigener Person und hieß die Briggs hinausgehen. Nachdem sie Rebekka ihre Befriedigung über ihr Benehmen ausgedrückt hatte, fragte sie nach Einzelheiten der Unterredung und allem Vorangegangenen, was zu dem erstaunlichen Angebot Sir Pitts geführt hatte.
Rebekka sagte, sie habe schon längst die Vorliebe bemerkt, mit der Sir Pitt sie geehrt hatte (denn er habe die Gewohnheit, seine Gefühle durchaus offen und ohne allen Rückhalt an den Tag zu legen); aber – ohne private Gründe anzuführen, womit sie Miss Crawley vorerst verschonen wolle – machten doch Sir Pitts Alter, Stand und Gewohnheiten eine Heirat unmöglich. Und könnte denn ein anständiges Mädchen, das nur ein wenig Selbstachtung besaß, in einem Augenblick einen Heiratsantrag annehmen, wo die dahingeschiedene Frau des Liebhabers noch nicht einmal beerdigt war?
»Unsinn, meine Liebe; Sie hätten ihm nie einen Korb gegeben, wenn nicht noch jemand im Spiele wäre«, sagte Miss Crawley, ohne weiteres auf den Kern zusteuernd. »Teilen Sie mir Ihre privaten Gründe mit, was sind das für private Gründe? Es gibt jemanden! Wer ist es, der Ihr Herz erobert hat?«
Rebekka schlug die Augen nieder und gab zu, daß das stimmte. »Sie haben es erraten, teure Lady«, sagte sie schlicht mit süßer, stockender Stimme. »Sie wundern sich, daß ein armes, freundloses Mädchen lieben kann, nicht wahr? Ich habe nie gehört, daß Armut vor Liebe schützt.
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