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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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viele Jahre den Wünschen der Regierung, ihr ungeheures Finanzreich auf dem Weg über die Erbschaftssteuern zu vernichten, Trotz geboten hatte, mußte sich heute endlich dem einzigen Feind ergeben, den sie nicht zu besiegen vermochte, dem Tod, der sie — wie alle Menschen — im Alter von... Jahren abberief.»
    Hannah Bascombe saß hinter einem riesigen Schreibtisch mit Glasplatte unter dem strengen Porträt ihres Vaters, flankiert auf der einen Seite von einem großen Globus, auf der andern von einem Lesepult mit einer ungeheuren, messingbeschlagenen Bibel, und sagte: «Setzen Sie sich, Mr. Sears.» Und dann: «Miss Adams, ich möchte, daß Sie bleiben.»
    Ein triumphierendes Lächeln um die Mundwinkel, ging Clary zu dem Sekretärinnentisch am andern Ende der dunkel getäfelten Bibliothek, die Hannah Bascombe als Arbeitszimmer diente, und nahm Platz. Da die Anwesenheit der Sekretärin das Gespräch beträchtlich erschwerte, bemühte sich Sears um so mehr, die Eindrücke des Raumes und alles, was ihm bei seiner Aufgabe helfen konnte, in großen Zügen aufzunehmen.
    Seine wohlüberlegten Vorstellungen und Pläne waren bereits zum Fenster hinausgeflogen. Hannah Bascombe mochte eine Frau mit einer fixen Idee sein — eine Exzentrikerin oder eine Närrin war sie keineswegs. Sie war eine machtvolle und dynamische Persönlichkeit.
    Als erstes fiel ihm der Widerspruch in ihrem Gesicht auf, dessen obere Hälfte überraschend lebendig wirkte, während der blutlose Mund, der niemals zum Leben erweckt worden war, eine kalte dünne Linie bildete. Die lebende Hannah Bascombe konzentrierte sich in den dunklen, klugen Augen voller Gier, denen die Zeit nichts hatte anhaben können. Die Falten der Lider, die sich in den Winkeln wie geraffte Vorhänge sammelten, verrieten Gescheitheit, List und eine Spur Humor.
    Die dramatisch leidenschaftliche Jugendlichkeit ihrer Augen strafte die Tatsache ihrer fünfundsiebzig Lebensjahre, die blauen Adern an den Schläfen, die schimmernd wachsfarbene Haut, die schmale Habichtsnase und die Verheerung, die die Jahre ihrem Hals angetan hatten, Lügen. Ihr pfeffer-und-salzfarbenes Haar war oben auf dem Kopf aufgetürmt und mit einer schwarzen Spitzenrüsche geschmückt; das mußte ein Friseur gemacht haben. Sears bemerkte die gebieterische und elegante Haltung des Kopfes auf dem schlanken Hals und die Zartheit der Handgelenke ebenso wie die ständig zu einwärts gedrehten Fäusten geballten Hände — die Geste eines Menschen, der nicht loszulassen vermochte.
    Ihre Kleidung war modern wie die Zeitung des Tages. Sie trug ein dunkelblaues Jerseykostüm mit weißem Kragen und Manschetten, die Jacke mit großen Elfenbeinknöpfen geschmückt. Drei Perlenketten lagen um ihren Hals, um das linke Handgelenk schlangen sich weitere.
    In den wenigen Sekunden, die Sears hatte, während er sich setzte, schweiften seine Augen durch den Raum. Er sah das Bild von Hannahs Mutter Lavengro; die unverkennbare Ähnlichkeit mit Clary Adams bestätigte, daß diese eine Verwandte war; und er bemerkte die gerahmten Fotos von grobaussehenden Männern in formloser Kleidung und Melonenhüten in den verschiedensten Landschaften des Alten Westens, beim Eisenbahnbau, beim Holzfällen, auf Bergwerken und Viehfarmen — und das Thema, das sie alle miteinander verband: «Eisen-Ike», der größte und stämmigste von allen, der das Mädchen liebend im Arm hielt. Er sah weiter, daß die Bibel bei den Psalmen aufgeschlagen war.
    Hannah Bascombe zeigte auf einen Stuhl neben ihrem Schreibtisch, der sowohl ihr als auch Clary halb zugewandt stand. «Setzen Sie sich, junger Mann!»
    Als Sears das tat, wurden ihre augenblickliche Stimmung und ihre Persönlichkeit aus der einleitenden Bemerkung deutlich:
    «Ich will mit Ihnen reden, Mr. Sears, obwohl Miss Adams, die meine Besprechungen vereinbart, keine sehr hohe Meinung von Ihnen hegt.»
    Sears erwiderte: «Das kann ich verstehen, da sie mich bei einer Reihe von Lügen ertappt hat.» Dabei lächelte er Clary offen und gewinnend zu. Er war überzeugt, daß Hannah Bascombe von den Tricks wußte, die er benutzt hatte, um hier Zutritt zu erlangen, und Clarys ärgerlicher Blick bestätigte, daß er richtig geraten hatte. Er glaubte, eine Spur von Belustigung in den Winkeln von Hannah Bascombes funkelnden Augen zu sehen, und schloß: «Aber sie waren gerechtfertigt, weil ich Sie sehr gern sehen und sprechen wollte.»
    Sie nahm ihren Angriff wieder auf: «Das mag sein. Sie haben mir eine recht

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