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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Einstellung aufrichtig. Hannah Bascombe, diese blutlose weibliche Rechenmaschine, das Finanzgehirn voller Fakten und Zahlen, verdarb ihm, dem schöpferischen Künstler, seine glänzende, schöne und völlig glaubhafte Geschichte.
    Der Ärger schlich sich in seine Stimme und verlieh ihr genau den Ton des vor gerechtem Eifer bebenden Evangelisten. «Sie nennen es Unsinn, wenn ich Ihnen den Triumph über die Zeit und den Sieg über Ihre Feinde anbiete? Denken Sie doch nur daran, was das bedeutet! Keine Erbschaftssteuern! Legen Sie einen einzigen Dollar auf Zins und Zinseszins an, leben Sie hundert Jahre, und dann zählen Sie Ihren Gewinn. Multiplizieren Sie das mit den Jahrhunderten, die Lamech, Kenan, Enoch und Methusalah genossen — allein die Jahre schon müssen jede Unze Gold und Silber auf oder unter der Erde in Ihren Schoß fegen. Nehmen Sie dazu Ihr finanzielles Genie, die Mittel der ganzen Welt und die Geschwindigkeit der modernen Nachrichtenwege...»
    Er bemerkte, daß sie nicht mehr auf ihn hörte, sondern Bleistift und Papier ergriffen hatte; ihr Haupt senkte sich über eine ernste Berechnung, so daß er die kleine schwarze Rüsche sehen konnte, die auf der sorgfältig aufgetürmten Frisur thronte. Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß Hannah Bascombe, wer oder was sie sonst auch sein mochte, überaus menschlich sei.

9

    Zu jenen Zeiten waren Riesen auf Erden.
    I. MOSE 6, 4

    Als Hannah ihre Berechnungen beendete und von ihren Zahlen aufschaute, brannten ihre Augen von einem neuen, lebhafteren Licht, als ob sie eben in ein ihr entschleiertes Paradies geschaut hätte. Sie hatte sich in himmlischen Reichen befunden. Doch das Licht erlosch, als ihr Blick auf Gesicht und Gestalt von Joe Sears fiel.
    Diesmal ließ Sears ihr nicht die Möglichkeit zu sprechen. Ihm war, als stehe er auf einer Kanzel und als wären Hannah Bascombe und, jawohl, auch Clary Adams die Gemeinde, der er den Nachhall des Donners der Zeitalter zu bringen hatte.
    «Glauben Sie an die Bibel?» rief er.
    «Selbstverständlich tue ich das. Sie ist Gottes Wort.»
    «Dann glauben Sie auch, daß Adam, der die Frucht vom Baum des Lebens aß, und Kain und Kenan und Seth und Enoch und all seine Nachkommen, wie es hier geschrieben steht, fast tausend Jahre lang über die Erde wandelten, potent und manneskräftig Söhne und Töchter zeugten, obwohl sie ein halbes Jahrtausend überschritten hatten?»
    «Natürlich. Es steht geschrieben, daß Gott dem Menschen das ewige Leben verweigerte, als er ihn aus dem Garten Eden vertrieb.» Sie zitierte aus dem Gedächtnis: «Und Gott der Herr sprach: So sandte Gott der Herr ihn aus dem Garten Eden fort, daß er den Ackerboden bearbeite, von dem er genommen war.»
    Sears erwiderte sofort: «Doch Adam muß von den Früchten des Baumes gegessen haben, denn er lebte neunhundertunddreißig Jahre, und seine Söhne und die Söhne seiner Söhne nach ihm kosteten sie während der Geschlechter der Patriarchen ebenfalls und wurden weit über die damals bekannte Erde zerstreut...»
    Hannah Bascombe sagte: «Kein Wort davon! Der Baum des Lebens befand sich im Garten Eden. Als der Mensch wegen seiner Sünden vertrieben wurde...»
    «Der Baum des Lebens war symbolisch für die Früchte der Erde. Ich spreche von der Bibel als Geschichte. Das waren Menschen. Sie haben einmal gelebt und geatmet. Um sie herum sind Legenden entstanden. Vom Vater auf den Sohn gaben sie die Erinnerung an ihren Kampf um das Leben weiter, die Erinnerung an ihre Wanderungen, ihre Begegnungen mit Gott und an ihr Bemühen, sich aus dem Staub bis zu seiner Höhe zu erheben. Als dies alles schließlich niedergeschrieben wurde, war es ein Bericht über die erinnerten Tatsachen, untermischt mit Legenden und Mythen, aber die Mythen mußten erfunden werden, damit sie mit den Tatsachen übereinstimmten und nicht umgekehrt.»
    Hannah saß jetzt kerzengerade aufgerichtet, hörte ihm zu, das gebieterische Haupt leicht zur Seite geneigt, die kleinen Hände zu besitzgierigen Fäusten geballt. Selbst Clarys spöttisches Lächeln war vergangen.
    Sears, der unter den Einfluß seiner eigenen Faszinationskraft geriet, gewann Vertrauen.
    «, sagt die Bibel. Moses warnte die Kinder Israel, das Land der Kinder Ammons in Besitz zu

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